PERSONEN

Der Dinosaurier, der nicht aufgeben will

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 2.3.2018 Martin Sorrell (73) hat nicht etwa vor, sich zur Ruhe zu setzen, nachdem die von ihm geführte Werbeagentur WPP das schlechteste Ergebnis seit dem Krisenjahr 2009 eingefahren hat. "2017 war für uns...

Der Dinosaurier, der nicht aufgeben will

Von Andreas Hippin, LondonMartin Sorrell (73) hat nicht etwa vor, sich zur Ruhe zu setzen, nachdem die von ihm geführte Werbeagentur WPP das schlechteste Ergebnis seit dem Krisenjahr 2009 eingefahren hat. “2017 war für uns kein schönes Jahr”, gab er zu. Branchengrößen wie WPP machen digitale Wettbewerber wie Google und Facebook Druck, die ihren Kunden ermöglichen, Agenturen zu umgehen. Zudem kürzten große Werbekunden ihre Budgets. Sorrell führt die schwache Performance unter anderem auf die langfristigen Auswirkungen technologischer Verwerfungen sowie auf das Kurzfristdenken von Shareholder-Aktivisten und Private Equity zurück. Zudem wetterte er dagegen, dass Unternehmen nicht mehr das Marketing-Budget des Vorjahres zur Grundlage ihrer Planungen machten, sondern jedes Jahr neu entschieden, wie viel Geld sie in Werbung stecken wollen.”Keiner hatte funkelnde Ergebnisse erwartet”, sagte George Salmon, Analyst beim Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown. “Aber dass WPP von einer derartigen Verschlechterung des Marktumfelds ausgeht, dass sich auf bereinigter Ebene im laufenden Jahr kein Wachstum erzielen lassen wird, kam überraschend.” Ziel von AktionärsrevoltenSorrell zählt zu den bestbezahlten Unternehmenskapitänen Großbritanniens. Für 2016 erhielt er 48 Mill. Pfund, im Jahr zuvor waren es 70 Mill. Pfund. Dagegen stimmte auf der Hauptversammlung immerhin ein Drittel der Anteilseigner. “Mein Verdienst hängt von der Performance ab”, verteidigt er seine Bezüge. “Wenn der Wert des Unternehmens steigt, geht es mir extrem gut.” Sein Vermögen liege in der Firma. Das wird Stimmrechtsberater wohl nicht davon abhalten, auch im laufenden Jahr eine Aktionärsrevolte gegen seine Vergütung anzuzetteln. Er habe keine Pläne, sich zurückzuziehen, sagte der als Prototyp des “Davos Man” geltende Sorrell. “Ich werde so lange weitermachen, wie man mich lässt.” Der WPP-Chairman würde vermutlich gerne mit der Nachfolgersuche beginnen, aber im Mediengeschäft gibt es viele ältere Herren wie Sorrell – Barry Diller (76), Rupert Murdoch (86) oder Sumner Redstone (94) etwa. Manche halten sie für Dinosaurier. Aber sie denken nicht daran, auszusterben. Das von Sorrell zusammengekaufte Imperium mit seinen 130 000 Beschäftigten wird von manchen mit ITT verglichen. Es begann damit, dass der Absolvent der exklusiven Haberdashers’ Aske’s Boys’ School, der in Cambridge und Harvard studierte, 1985 in einen Börsenmantel namens Wire & Plastic Products investierte, einen Hersteller von Einkaufskörben aus Draht. Zwei Jahre später war er CEO der in WPP umbenannten Firma. Sorrell, der zuvor als Finanzchef von Saatchi & Saatchi fungiert hatte, machte aus WPP durch zahlreiche Zukäufe ein weltumspannendes Netz von Werbeagenturen. 1989 holte er sich Ogilvy, 2005 Grey Global, 2008 den Marktforscher TNS. “Wenn ich mir unsere Struktur ansehe, muss sie mit Sicherheit vereinfacht werden”, sagt Sorrell, dem nicht entgangen sein wird, dass viele Konglomerate wie ITT den Abgang charismatischer Führungspersönlichkeiten nicht überstanden haben.