Erster Prozess gegen Signa-Gründer

Der Rechtsanwalt Norbert Wess ist der Mann an Benkos Seite

Prellte der gefallene Signa-Gründer René Benko seine Gläubiger? Der 48-Jährige hat sich keinen Unbekannten ausgesucht, um diesen Vorwurf auszuräumen. Der Rechtsanwalt Norbert Wess gehört zu den bekanntesten Juristen in Österreich.

Der Rechtsanwalt Norbert Wess ist der Mann an Benkos Seite

Der Mann an René Benkos Seite

Rechtsanwalt Norbert Wess vertritt in Österreich prominente Gesichter – Er sieht sich selbst auch als Freund und Psychologe

knd Frankfurt

Norbert Wess vertritt besonders häufig Menschen, die nicht geständig sind. So wird der Rechtsanwalt des Gründers der insolventen Signa-Gruppe René Benko in seiner Heimat Österreich vor einiger Zeit in einem Podcast angekündigt. Das sei eine Typfrage, erwidert er darauf: Wenn man eher der Anwalt sei, der gerne aufzeigt, wo die Ungereimtheiten liegen, sei man in diesem Bereich besonders gefragt. Seine Mandanten kämen häufig über persönliche Empfehlungen zu ihm. Im Wirtschaftsstrafrecht sei auch nicht alles schwarz oder weiß, es gebe eher viele Schattierungen. Ob jemand schuldig sei oder nicht, sei nicht immer eindeutig. „Da kann man schon vielen bewirken“, so Wess.

Auch der frühere Immobilien-Tycoon plädierte am Dienstag auf „nicht schuldig“. Fragen der Richterin wollte er nicht beantworten, heißt es. Nach nur zwei Stunden endet der erste Prozesstag. Die mediale Aufmerksamkeit um die Person Benko ist groß, Wess steht aber nicht das erste Mal im Rampenlicht: In Österreich gilt er als einer der bekanntesten Strafverteidiger, der bekannten Gesichtern aus Politik und Wirtschaft zur Seite steht. Zu seinen Mandanten gehört neben Benko unter anderem der frühere österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der sich wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten musste. Dessen inzwischen rechtskräftige Verurteilung beschreiben Medien in seiner Heimat auch als seine größte berufliche Niederlage.

Außerdem ist Wess der Rechtsbeistand des früheren Commerzialbank-Chefs Martin Pucher. Im Strafprozess der vergangenen Monate ging es um Veruntreuung von Bankgeldern, Untreue und betrügerischer Kreditvergabe. Pucher gehört zu der kleineren Gruppe der geständigen Mandanten, war aus gesundheitlichen Gründen allerdings nicht verhandlungsfähig.

Eine emotionale Ebene

Wess versteht seine Rolle nicht immer nur als Rechtsbeistand seiner prominenten Mandanten. In einem Interview erklärte er, in solchen Fällen sei er auch als Mensch, Psychologe und Freund gefragt. Wess spricht von „emotionaler Stütze“ und „emotionalen Momenten“, die er mit seinen Mandanten erlebt, auch in Zusammenhang mit dem, was die Haft mit einem Menschen mache. „Man darf das nicht falsch verstehen. Man steht diesem Menschen auch auf emotionaler Ebene nah. Das schließt nicht aus, dass man ihm rein professionell zur Seite steht", so Wess im Interview vor einiger Zeit. Mit „Freund“ meine er auch nicht, dass man uneingeschränkt alles für den anderen tun würde.

Im schlimmsten Fall 10 Jahre Haft

Sein Mandant Benko sitzt sei Anfang des Jahres in Untersuchungshaft in Wien. In dem für den 14. und 15. Oktober anberaumten Prozess vor dem Landgericht Innsbruck muss sich der Firmengründer des insolventen Signa-Imperiums wegen betrügerischer Krida verantworten. Das ist in Österreich die Bezeichnung dafür, wenn der Angeklagte Vermögenswerte beiseite schafft, um sie vor seinen Gläubigern zu verbergen. Dem 48-Jährigen wird vorgeworfen, dadurch die Befriedigung von Gläubigerforderungen verhindert bzw. geschmälert zu haben.

Ein Urteil wird bereits für den 15. Oktober erwartet. Es ist allerdings der zunächst eher überschaubare Auftakt der strafrechtlichen Aufarbeitung der größten Pleite in der österreichischen Geschichte. Insgesamt ist von 14 Ermittlungssträngen die Rede. Unter anderem stehen Verdacht auf Untreue und schweren Betrugs im Raum. Das könnte eine ganze Reihe an Prozessen nach sich ziehen. Für Benko steht viel auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall drohen ihm 10 Jahre Haft.

Benko war lange der Vorzeigeunternehmer und stieg vom Schulabbrecher zum Milliardär auf. Zu den bekanntesten Projekten zählen der Hamburger Elbtower, die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof und das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe. Mit mehr als 1000 Gesellschaften war die Struktur seiner Signa-Gruppe unübersichtlich. Laut Medienberichten soll er systematisch Jahresabschlüsse verzögert haben, um die finanzielle Lage zu verschleiern. Das ganze Konstrukt geriet mit den steigenden Zinsen, Energiepreisen und Baukosten ins Wanken. Im November 2023 meldete die Dachgesellschaft Signa Holding Insolvenz an, später zogen zahlreiche Tochterfirmen nach.

Kritik von Kollegen

Mit dem Benko-Prozess wird Wess eine Weile beschäftigt sein. Sein Erfolg auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts war anfangs allerdings kein Selbstläufer. Zu Beginn seiner Karriere wurde er durchaus kritisch von Kollegen beäugt. Wess erzählt gerne die Geschichte von seinem Ausbildungsanwalt, der ihm anfangs als junger Anwalt im Alter von 27 Jahren, davon abriet, diesen Weg zu gehen. Das sei viel zu speziell und kein Gebiet, auf das man sich in Österreich fokussieren sollte. Das war 2004. Am Ende habe es sich allerdings „als nicht so schlechte Entscheidung" herausgestellt, so Wess. Denn nur wenige Jahre später kam die Finanzkrise: „Dann sind die ersten großen Wirtschaftsstrafverfahren in Österreich gehäufter aufgetreten. Und da war ich schon vier, fünf Jahre am Markt und eigentlich bei diesen Causen auch schon dabei."

Auch sonst ist Wess mit persönlichen Anekdoten nicht zurückhaltend. 1975 geboren war demnach sein erster Berufswunsch Profifußballer. Als ihm klar wurde, dass daraus nichts wird, studierte er Jura. Seine Spezialgebiete umfassen passenderweise neben dem Finanzstrafrecht heute auch das Sport- und Veranstaltungsrecht.