Qivalis-CEO Jan Sell

Der Stablecoin-Dompteur

Sein Profil passt für den Job bei dem Euro-Stablecoin-Spezialisten Qivalis: Jan Sell hat im klassischen Bankgeschäft angefangen, ist seit rund zehn Jahren aber in der Krypto-Szene zu Hause. Seine Aufgabe: Den Euro-Stablecoin der Banken zu einem integralen Teil der modernen Finanzmarktinfrastruktur zu machen.

Der Stablecoin-Dompteur

Der Stablecoin-Dompteur

xx

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Die Überraschung war gelungen: Als die in einem Stablecoin-Konsortium verbundenen europäischen Banken Anfang Dezember zu einem Presse-Event luden, war zwar klar, dass ein CEO dafür vorgestellt werden sollte - aber wer hatte schon damit gerechnet, dass es Jan-Oliver Sell sein würde? Der ehemalige Coinbase-Deutschlandchef hatte nach seinem Ausscheiden bei dem US-Konzern beim kleinen Startup Lukso als Chief Operating Officer (COO) angedockt und widmete sich dort der Entwicklung einer Layer-1-Blockchain für den Kreativen-Sektor, also eher kein big business.

Ein Techie mit Großbanken-Flair

Von daher konnte man den Eindruck gewinnen, dass der im Großbanken-Sektor geschulte Manager nie wieder den Schritt zurück in den klassischen Bankensektor suchen würde. Zu sehr fühlt er sich der kollaborativen Entwicklungsarbeit in der Blockchain-Szene verbunden, in die er 2018 eintauchte. Da formierte sich in Berlin ein großer Teil der Ethereum-Community und Jan Sell war mittendrin im Gründerfieber für eine dezentrale Infrastruktur der Zukunft.

Stablecoins sind ein integraler Bestandteil von DLT-Marktinfrastruktur.
PYMNTS

Eine Zeit, die ihn nachhaltig geprägt hat - und die Basis darstellt für seinen heutigen Job bei Qivalis. So wurde das Joint Venture der Banken um ING, DekaBank und Unicredit benannt, dem Jan Sell nun als CEO vorsteht. Dabei passt die Aufgabe auf den zweiten Blick ganz prima zu seinem Profil: Denn bei Qivalis wird eine brandneue DLT-Infrastruktur für die Stablecoin-Wirtschaft aufgebaut, was strukturell ein B2B-Geschäft ist - und da ist der neue CEO zu Hause. Jan Sell ist keine Heißdüse, die dem Retail-Publikum irgendwelche Coins vertickt, sondern ein Tech-Entwickler mit Banking-Hintergrund.

Seine neue Heimat ist Amsterdam, die niederländische Metropole mit ihrer langen Börsentradition: 1602 wurde die Amsterdamer Börse gegründet, um die Aktien der Niederländischen Ostindien-Kompanie zu handeln – sie gilt als die älteste bestehende Börse der Welt, die mit den Anteilsscheinen der Ostindien-Kompanie das erste börsennotierte Papier handelte. Über den Verkauf der Anteilsscheine wurde der Überseehandel finanziert, was den modernen Aktienhandel einleitete.

Börse in Amsterdam.
Die Börse in Amsterdam.
Foto: picture alliance / Daniel Kalker

In Amsterdam befindet sich aber auch der Sitz der ING, die als zentraler Akteur des Konsortiums Gastgeber für Qivalis ist, die nun eine Lizenz als E-Money-Institut bei der niederländischen Finanzaufsicht DNB beantragt hat. An seiner Seite hat Jan Sell den von der ING kommenden Floris Lugt, der das CFO-Ressort verantwortet. Die Aufgabe für das Führungsduo: Mitte 2026 soll der Geschäftsbetrieb starten und der noch namenlose Euro-Stablecoin verfügbar sein. Dafür werden nun die Infrastruktur gebaut sowie kommerzielle Vereinbarungen mit Partnern getroffen.

Die in Qivalis verbundenen Banken (plus Citigroup).
Qivalis

Das alles passiert im Eiltempo, wollen die Qivalis-Banken doch für sich selbst und für ganz Europa eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Dollar-dominierten Digital-Asset-Markt herstellen. Ein nativer Euro-Stablecoin würde zur monetären Autonomie Europas erheblich beitragen, so Qivalis-CEO Jan Sell bei seiner Vorstellung. Man kann sogar noch etwas zugespitzter sagen, dass Europas Kapitalmarkt nebst seiner Währung ein vitales Stablecoin-Ökosystem braucht, um relevant zu bleiben. Dafür müssen Infrastruktur und Prozesse geschaffen werden und die privatwirtschaftlichen Akteure eine regulatorische Grundlage haben, auf der sie rechtssicher Geschäft abwickeln können.

In den USA beginnt die Tokenisierung für die Abwicklung beim Verwahrer

In den USA hat die SEC nun erlaubt, dass die Tokenisierung von Wertpapieren auf Ebene der Verwahrer mit dem DTCC an der Spitze vollzogen werden kann. Das ist eines der Ökosysteme, wo Stablecoins rein gespielt werden können, um das Settlement zu vollziehen. Und die über Qivalis verbundenen Banken wollen einen Euro-Stablecoin emittieren, der als Standard genau solche Dinge im Euroraum erledigen kann, sofern der Rechtsrahmen das erlaubt. Jan Sell und seine Mitstreiter bei Qivalis sind bereit, neben den Anwendungsfällen Transaktionen in DeFi und Krypto sowie grenzüberschreitende Zahlungen auch in großem Maßstab das Settlement von tokenisierten Assets über den neuen Euro-Stablecoin zu ermöglichen.

Floris Lugt, Sir Howard Davies und Jan-Oliver Sell sind das derzeitige Führungstrio von Qivalis.
Anna Witkowska Photography (NL