Designierte Haushaltschefin auf brüchigem Boden
Von Peter De Thier, Washington
US-Präsident Joe Biden könnte vor der ersten Niederlage seiner Amtszeit stehen. Die Kandidatur von Neera Tanden (50), die Biden als Vorsitzende der Haushaltsbehörde Office of Management and Budget (OMB) nominiert hatte, gerät nämlich ins Wanken. Zwar bestehen kaum Zweifel an der fachlichen Eignung der Juristin für den Posten mit Kabinettsrang, in dem ihre vorrangige Aufgabe darin bestehen würde, Budgetentwürfe der Biden-Regierung zu zimmern. Zum Verhängnis werden könnten ihr aber zahlreiche Tweets, in denen Tanden politische Gegner angegriffen hatte.
Tanden, deren Eltern aus Indien in die USA ausgewandert waren, studierte Rechtswissenschaften und promovierte an der renommierten Yale-Universität. Eine politische Laufbahn hatte ihr schon als Teenager vorgeschwebt. 1988 arbeitete sie als Helferin bei der Präsidentschaftskampagne des demokratischen Spitzenkandidaten Michael Dukakis und unterstützte auch den 42. Präsidenten, Bill Clinton.
2003 war sie Mitbegründerin des liberalen Thinktanks Center for American Progress. Sechs Jahre danach wurde Präsident Barack Obama auf die politischen Verdienste der Demokratin aufmerksam. Unter dessen Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius profilierte sich Tanden als Co-Architekt des Affordable Care Act (ACA), der als „Obamacare“ bekannten Gesundheitsreform.
2011 übernahm Tanden die Präsidentschaft beim Center for American Progress, eine Position, die sie heute noch bekleidet. Für Schlagzeilen sorgte sie aber damals schon mit ihren Äußerungen in sozialen Medien. Auf Twitter beschrieb Tanden die moderate republikanische Senatorin Susan Collins als „die Schlimmste“, bezeichnete einen anderen Senator als „radioaktiv“ und griff prominente Politiker scharf an.
Nach ihrer Nominierung löschte Tanden mehr als 1000 Tweets, die ihre Gegner allerdings nicht vergessen hatten. Das könnte sich nun rächen. Collins, Senator Mitt Romney und der gemäßigte Demokrat Joe Manchin wollen gegen ihre Bestätigung stimmen. Deren Argument: Der OMB-Kandidatin fehle es an den notwendigen Eigenschaften, um eine Integrationsfigur zu sein und politische Differenzen zu überwinden. Folglich müsste mindestens ein Republikaner Bidens umstrittener Kandidatin sein Votum schenken – politische Beobachter halten dies für unwahrscheinlich. Für den Präsidenten wäre das bitter, weil Tanden ein Aushängeschild seines „Kabinetts, das so aussieht wie Amerika“ sein sollte. Bekomme sie den Job nicht, versprach Bidens Stabschef Ron Klain, dass „wir eine andere Position für sie finden werden“.