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Die Königin der Wafer

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 16.12.2020 Warum gerade Siltronic? Ausgerechnet das einzige europäische Unternehmen im Kreis des von asiatischen Unternehmen dominierten Wafer-Oligopols als Übernahmeziel? Für Hsu Hsiu-Ian zählen zum einen...

Die Königin der Wafer

Von Joachim Herr, MünchenWarum gerade Siltronic? Ausgerechnet das einzige europäische Unternehmen im Kreis des von asiatischen Unternehmen dominierten Wafer-Oligopols als Übernahmeziel? Für Hsu Hsiu-Ian zählen zum einen die harten Fakten: “Marktstudien haben uns gezeigt, dass Siltronic ein sehr gutes Unternehmen ist”, sagt die Konzernchefin von Global Wafers im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Auch kulturell passt es sehr gut zu uns”, fügt die Taiwanerin hinzu und nennt fünf Werte, die für Global Wafers zentral sind: “Wir kümmern uns viel um unsere Mitarbeiter, um Begeisterung für Technologie, Integrität, Innovation und operative Exzellenz.” Der Münchner Konkurrent Siltronic habe ähnliche Werte. Das Ziel der Managerin: “Zusammen können wir ein viel besseres Unternehmen schaffen.”Die 59 Jahre alte Hsu, die sich mit Doris ansprechen lässt, stimmt zu, dass sie vor dem herausforderndsten Projekt ihrer Karriere steht. “Und es ist sehr, sehr wichtig.” Wenn die Finanzaufsicht BaFin die Angebotsunterlage genehmigt, wird Global Wafers den Siltronic-Aktionären insgesamt 3,75 Mrd. Euro offerieren. Noch in diesem Monat soll die Annahmefrist beginnen, 65 % haben sich die Taiwaner als Mindestquote gesetzt.Hsu zählt zu den mächtigsten Frauen in der Technologiewirtschaft, zumindest in Asien. Seit 2011 ist sie CEO und Vorsitzende des Verwaltungsrats (Chairperson) von Global Wafers, seit diesem Jahr hat sie beide Funktionen auch im Mutterkonzern Sino-American Silicon Products (SAS) inne. SAS hatte dazu im Juni mitgeteilt: Hsu werde beide Unternehmen antreiben, in der Solar- und in der Halbleiterindustrie zu wachsen und “nicht nur in Taiwan, sondern auch in der Welt außergewöhnliche Fortschritte zu machen”. Versiert im VerhandelnHsu, die in den USA Informatik studiert hat, blickt mit Stolz auf die Entwicklung des Unternehmens zurück: “Ich arbeite seit 22 Jahren für SAS. Die Marktkapitalisierung ist seitdem um mehr als das 150-fache gestiegen.” Die taiwanische Finanzzeitschrift “CommonWealth Magazine” schrieb vor zwei Jahren, manche bezeichneten Hsu als die Königin der Wafer. Sie hat sich in der Branche den Ruf erworben, besonders geschickt mit Kunden über langfristige Verträge zu verhandeln – mit Abnahmeverpflichtungen und Anzahlungen, um Investitionen zu finanzieren. So lassen sich die Risiken in einer Industrie mit zyklisch stark schwankender Nachfrage minimieren.Den nächsten Schritt zum Wachstum und zur Größe – die angestrebte Übernahme von Siltronic – begründet Hsu mit den Entwicklungen auf der Abnehmerseite: “Die Halbleiterindustrie ändert sich rasant, besonders seit zwei, drei Jahren.” Nicht nur die Technologie verbessere sich ständig und immer schneller, es gebe auch sehr viele neue Anwendungen für Chips. “Wenn wir das Tempo unserer Kunden mithalten wollen, müssen wir unsere Kapazitäten ausbauen und Forschung und Entwicklung in immer kürzeren Zyklen verstärken”, betont sie. “Um diese hohen Kosten zu bewältigen, müssen wir größer sein.”Siltronic wäre nicht die erste stattliche Akquisition unter der Führung von Hsu. 2016 übernahm Global Wafers Sun Edison in den USA und verdrängte damit Siltronic von der dritten Stelle der umsatzstärksten Wafer-Produzenten. Für Hsus Strategie, mit Zukäufen schnell zu wachsen, hat das “CommonWealth Magazine” eine Erklärung: Ihr Mentor war der frühere SAS-Chairman Lu Ming-kuang. Hsus Vorgehen erstaune nicht. Denn Lu Ming-kuang sei bekannt als der König der Akquisitionen. Die nächste große AufgabeVor dem Kauf der Mehrheit von Siltronic stehen allerdings einige Hürden: die Mindestannahmeschwelle für die Aktionäre und das Okay von Kartell- und Außenwirtschaftsbehörden. Wenn alles klappt, ist für Hsu klar: “Meine nächste große Aufgabe wird die Integration von Siltronic sein, um aus den zwei Unternehmen eines zu machen.” Laut ihrem Zeitplan soll diese Arbeit in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres beginnen. Ein hohes Tempo ist dann zu vermuten.