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Die Revanche von IAG-Chef Willie Walsh

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 5.11.2019 Er habe nie den Ehrgeiz gehabt, Vorstandsvorsitzender zu werden, sagte er einmal in einem Interview. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - zählt Willie Walsh schon seit fast 20 Jahren zu den...

Die Revanche von IAG-Chef Willie Walsh

Von Gesche Wüpper, Paris Er habe nie den Ehrgeiz gehabt, Vorstandsvorsitzender zu werden, sagte er einmal in einem Interview. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – zählt Willie Walsh schon seit fast 20 Jahren zu den erfolgreichsten Airline-Chefs Europas, wenn nicht gar der Welt. Immerhin gilt er als Architekt des Zusammenschlusses von British Airways und Iberia unter dem Dach von IAG. Nun kann der umtriebige Ire mit der Übernahme von Air Europa aus Spanien einen weiteren Coup landen. Denn er kann so zum einen den Marktanteil der Gruppe, zu der mittlerweile auch Air Lingus sowie die beiden Low-Cost-Carrier Vueling und Level gehören, auf den Verbindungen nach Lateinamerika und in die Karibik ausbauen.Zum anderen aber kommt der frühere Pilot so seinem Ziel näher, Madrid zu einem europäischen Drehkreuz auszubauen, das mit London, Paris, Frankfurt und Amsterdam mithalten kann. Die angekündigte Übernahme unterstreicht auch eine andere Charaktereigenschaft des 58-Jährigen: Er lässt sich nicht so leicht abschrecken, wenn er sich ein Ziel gesetzt hat. Denn eigentlich hatte IAG seine Flügel schon vorher nach Südamerika ausgestreckt, doch der Oberste Chilenische Gerichtshof machte ihm einen Strich durch die Rechnung und untersagte IAG und American Airlines das zusammen mit Latam aus Chile geplante Gemeinschaftsunternehmen. Letzten Monat dann gab Delta bekannt, 20 % an Latam zu übernehmen. Die Akquisition von Air Europa ist deshalb eine Art Revanche für Walsh. ArbeitstierDer als zweitältester Sohn von fünf Kindern in einfachen Verhältnissen in Dublin aufgewachsene Manager gilt als Arbeitstier. “Ich mag es nicht, untätig herumzusitzen”, sagte er einmal. Natürlich könnte er ein Wochenende freinehmen und ein paar Tage damit verbringen, Sportsendungen zu gucken oder Bücher zu lesen. “Aber sieben Tage oder gar zwei Wochen lang? Das ist Folter für mich.” Entsprechend rar sind die Momente, in denen sich der geschiedene Vater einer erwachsenen Tochter frei nimmt.Und doch deutete er vor ein paar Tagen an, dass er sich möglicherweise bald in den Ruhestand verabschieden könnte. “Ich bin jetzt 58 und ich werde nicht mehr auf diesem Posten sein, wenn ich 60 bin”, sagte er laut dem “Evening Standard” bei der Vorstellung der Quartalsergebnisse von IAG. “Ich mache das jetzt seit 15 Jahren und ich bin jetzt näher an der Rente als vor einem Jahr.” Immerhin hat Walsh, der klare Wort liebt, eine lange Karriere in der Luftfahrt hinter sich. Mit 17 Jahren begann er eine Ausbildung zum Piloten bei Air Lingus. Ein Freund von ihm hatte eine Anzeige der irischen Fluggesellschaft gesehen, die ihre Tests für alle öffnete, da viele Kandidaten die Bewerbungsunterlagen aufgrund eines Poststreiks nicht erhalten hatten.Als junger Pilot machte Walsh zusätzlich zu seinen Befähigungsnachweisen für den 737-Mittelstreckenjet noch einen MBA am Trinity College. Als Vertreter der Pilotengewerkschaft verhandelte er mit der Airline, die ihm nach Ablauf seines Mandats einen Posten in der Geschäftsführung anbot. Bald schon stand der Manager, der wie viele Iren gern mal ein Guiness trinkt, an der Spitze von Futura, einer damals in Spanien angesiedelten Tochter von Air Lingus. Als Chef der irischen Fluggesellschaft erwarb er sich später den Spitznamen “Messermann Walsh”, weil er die finanziell angeschlagene Airline mit einem strammen Sparkurs zurück auf die Erfolgsspur brachte.Nach einem fehlgeschlagenen Management Buy-out trat Walsh Anfang 2005 zurück und wurde in Irland heftig kritisiert. Doch schon bald engagierte ihn British Airways, deren damaliger Chef nach Ablauf seines Mandats zurück in seine australische Heimat wollte. Bei der britischen Fluggesellschaft, die wie die gesamte Branche wegen der stärkeren Konkurrenz durch Billigfluggesellschaften und Golf Carrier sowie den Folgen der Finanzkrise mit Gegenwind zu kämpfen hatte, setzte Walsh erneut auf Kostensenkungen – und Allianzen. 2010 fädelte er die Fusion mit Iberia ein.