Die schwierige Abnabelung von Weber Jr.
Von Andreas Heitker, Halle/Westf.Halle in Westfalen ist Gerry-Weber-Land. Die Konzernzentrale des vor mehr als vier Jahrzehnten von Gerhard Weber gegründeten Modekonzerns ist hier, nur wenige Kilometer von Bielefeld entfernt, zu finden. Es gibt aber auch das Gerry-Weber-Stadion. Die Gerry-Weber-Eventhalle. Das Sporthotel. Den Golfplatz. An jeder Ecke ein Denkmal für den großen Unternehmer der Stadt.Die Schlagersternchen kommen nach Halle, die halbwegs erfolgreichen Rockstars und natürlich die großen Tennisstars. Das “Gerry Weber Open” ist schließlich Deutschland bekanntestes Tennisturnier, das jährlich mehr als 100 000 Zuschauer anlockt. Seit dem vergangenen Jahr ist das Turnier von der ATP zu den 13 großen Veranstaltungen weltweit direkt unterhalb der Grand-Slam-Wettbewerbe hochgestuft. SpätstarterWelche Provinzstadt mit 20 000 Einwohnern hat schon ein solches Angebot? Doch mittlerweile zeigen sich immer deutlicher auch Risse im Gerry-Weber-Imperium. Dem Unternehmen, das seit 1989 börsennotiert ist, geht es nicht mehr so gut. Ralf Weber, Vorstandschef und Sohn von Gründer und Namensgeber Gerhard, spricht von der “herausforderndsten Situation in der Unternehmensgeschichte”. Der Junior, der vor einem Jahr das Ruder übernommen hat, zieht die Notbremse. “Die Einschnitte werden tief sein”, sagt er. Allein in der Konzernzentrale werden 200 Mitarbeiter ihren Job verlieren. Dass auch beim Sponsoring in der “Gerry Weber World” gekürzt wird, ist selbstverständlich.Für den 52-Jährigen ist die Situation alles andere als angenehm, muss er doch einen Kurs korrigieren, den noch sein Vater vor einigen Jahren eingeschlagen hat und der sich nun als Irrweg erwiesen hat: Expansion durch immer mehr eigene Shops im In- und Ausland. Der Vertrieb der Damenmode über den Großhandel galt nicht mehr viel. Dafür wurde die Zahl der eigenen Filialen mehr als verdreifacht. Doch gerade in den kleinen und mittelgroßen Städten finden immer weniger Kundinnen den Weg in die Geschäfte. Hier hat in den vergangenen Jahren ein wahrer Einbruch stattgefunden, unter dem die ganze Branche leidet. “Damit haben wir schlicht nicht gerechnet”, muss auch Finanzvorstand David Frink einräumen.An der Neuausrichtung des Unternehmens war Gerhard Weber nicht mehr beteiligt. Die wurde vom Vorstand weitgehend in Eigenregie ausgearbeitet. Der alte Patriarch, der noch immer fast jeden Tag in “seiner” Firma zu finden ist und der mit knapp 30 % noch immer der wichtigste Anteilseigner ist, hat den neuen Weg im Aufsichtsrat mitgetragen. “Mein Vater steht zu 100 % dahinter”, betont Ralf Weber.Der Diplom-Kaufmann hat sein gesamtes Berufsleben im Familienimperium verbracht. Nach der Schulzeit und einer Ausbildung als Industriekaufmann studierte er Betriebswirtschaft im nahen Paderborn. 1992 gründete er die Dachmarke der heutigen “Gerry Weber World”. Seit 1993 ist er Direktor des hauseigenen Tennisturniers und entwickelte es zur heutigen Größe weiter.In der börsennotierte Firma seines Vaters startete er erst 2008; da war er bereits 44 Jahre alt. Er begann im Controlling und wurde ein Jahr später Retail-Geschäftsführer. In den Vorstand wurde er schließlich im August 2013 berufen.Ein gutes Jahr später, im Oktober 2014, gab Gerhard Weber das operative Geschäft ab und wechselte in den Aufsichtsrat. Aber auch hier gestaltete sich der Übergang auf seinen Sohn als schwierig. Zuerst wurde ein gleichberechtigtes Trio als Nachfolger benannt. Dann wurde Frink als Vorstandssprecher eingesetzt – um dann nach nur drei Monaten von Ralf Weber als Vorstandsvorsitzendem abgelöst zu werden.Das erste Jahr an der Spitze war für den dreifachen Vater verheerend. Im Sommer wurde wieder einmal eine Gewinnwarnung fällig. Die Aktie stürzte ab. Im September wurde Gerry Weber aus dem MDax geworfen. Es wurde schnell klar, was für ein schwieriges Erbe das war. TeamplayerÜber Mode hat Ralf Weber viel von seinem Vater gelernt. Schon als Teenager ist er die Läden zusammen mit dem Vater abgefahren, wie der heutige Konzernchef in einem Interview verraten hat. Auch er habe eine Cowboystiefel-Phase gehabt. Heute tritt er dagegen wie der Vater ganz seriös und meist mit Einstecktuch in der Jacketttasche auf.Eines hat sich seit seinem Amtsantritt aber ganz sicher geändert in der Gerry Weber-Zentrale: Der Junior gilt als Teamplayer. Und ein gutes Team wird er in nächster Zeit auch dringender brauchen denn je.