Selfmade-Mann wird 60

Dommermuths großes Wagnis

Ralph Dommermuth steht vor seinem 60. Geburtstag – und vor seiner bisher größten beruflichen Herausforderung, dem Aufstieg zum 5G-Netzbetreiber.

Dommermuths großes Wagnis

Dass Ralph Dommermuth seinen 60. Geburtstag am Sonntag als Milliardär feiern kann, verdankt er hauptsächlich einem unternehmerischen Wagemut, der seit dem Börsengang der einstigen 1&1 vor 25 Jahren nicht zuletzt in einem beherzten Deal-Making und strategischem Weitblick zum Ausdruck kam. Den bewies der Selfmade-Mann aus dem Westerwald zuletzt einmal mehr, als er die aus dem Zusammenschluss von 1&1 Telecommunications und Drillisch geschmiedete neue 1&1 SE, die heute eines von zwei Standbeinen des von Dommermuth geführten United-Internet-Konzerns ist, vom Mobilfunk-Service-Provider zu einem Netzbetreiber erhob.

In einer neuen Liga

Allerdings ist dabei bisher weitgehend der Wunsch der Vater des Gedankens. Denn der Einstieg in die Liga der Telekomnetzbetreiber erweist sich als bisher größtes Wagnis des Firmengründers, der seine zuvor auf 42% verwässerte Beteiligung an United Internet im Dezember 2021 wieder auf eine Kontrollmehrheit ausgeweitet hat. Dommermuth hat damit das Heft Handelns bei dem derzeit noch 3,4 Mrd. Euro schweren MDax-Konzern wieder fest in der Hand. Allerdings war dieser Schritt im Grunde durch eine Unternehmenskrise motiviert, denn der Aufbau eines eigenen 5G-Netzes geht nach dem Erwerb einer Lizenz bei der Mobilfunkauktion 2019 äußerst schleppend voran. Die Ausbauauflagen wurden weit verfehlt, und es ist ein Bußgeld der Bundesnetzagentur gefällig.

Gewiefter Taktiker

Vor kurzem machte Dommermuth seinem Ruf als gewiefter Taktiker erneut alle Ehre, als er mit der im deutschen Geschäft angeschlagenen Vodafone einen langfristigen Roaming-Deal schmiedete, der seinen Kunden den Zugriff auf ein flächendeckend funktionierendes 5G-Netz sichert. Die verbliebene Konkurrenz aus Telekom und Telefónica Deutschland schäumt, aber 1&1 legt auf diese Weise den Streit mit der Vodafonetochter Vantage Towers bei, die für den 5G-Newcomer ein Funkturmnetz aufbauen sollte und versagte, und gewinnt unternehmerischen Spielraum zurück. Dommermuth ist einmal mehr obenauf – und blickt seit Anfang August auf einen Kursanstieg von 44% bei United Internet. Allerdings kann selbst diese Performance den vorherigen Kursverfall von rund zwei Dritteln seit Mitte 2020 nicht ausgleichen.Denn die Investoren verübeln dem machtbewussten Unternehmer, der häufig mit seidenweicher Stimme und knallharten Entscheidungen auftritt, dass er dabei auf die Interessen des Streubesitzes in aller Regel keine Rücksicht nimmt. Dieser muss den Strategieschwenk zum Netzbetreiber mittragen, wartet allerdings bis heute auf den wiederholt angekündigten Kapitalmarkttag, der über Investitionen und Details der Netzbetreiberstrategie informieren soll.

In der Hall of Fame

In der Hall of Fame

Dommermuth, der als deutscher Internetpionier in der „Hall of Fame“ der Zeitschrift „Computerwoche“ sitzt, wird einmal mehr auch seine Qualitäten als Krisenmanager beweisen müssen. Erfahrung hat er damit durchaus. Auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms im Jahr 2000 hatte die 1&1 Holding binnen zwei Jahren Beteiligungen an 17 Internetfirmen gesammelt. Da lag die Umbenennung in United Internet nahe, aber nach dem Platzen der Dotcom-Blase war der Konzern zu harten Einschnitten gezwungen, bevor es an den Wiederaufbau ging. Damit hat Dommermuth schon einmal bewiesen, dass ihn so leicht nichts umwirft.

Ralph Dommermuth steht vor seiner größten Bewährungsprobe

Von Heidi Rohde, Frankfurt