Technologiekonzerne

Drei Juristen gegen das US-Tech-Kartell

Der kartellrechtliche Kampf um die Zukunft der großen amerikanischen Technologiekonzerne wird persönlich. Amazon und Facebook haben in den vergangenen Wochen Anträge gestellt, um Lina Khan, die seit Juni amtierende Vorsitzende der amerikanischen...

Drei Juristen gegen das US-Tech-Kartell

Von Norbert Kuls, New York

Der kartellrechtliche Kampf um die Zukunft der großen amerikanischen Technologiekonzerne wird persönlich. Amazon und Facebook haben in den vergangenen Wochen Anträge gestellt, um Lina Khan, die seit Juni amtierende Vorsitzende der amerikanischen Kartellbehörde FTC (Federal Trade Commission) bei den laufenden Verfahren gegen die Konzerne wegen Befangenheit abzulehnen. Die erst 32 Jahre alte Khan gilt als Kartellexpertin für Tech-Firmen, seit sie vor vier Jahren als Jurastudentin der Eliteuniversität Yale einen Fachaufsatz zu Amazon verfasst hatte. Sie argumentierte damals, dass der klassische Ansatz des Kartellrechts, der sich auf die negativen Auswirkungen steigender Preise auf Verbraucher konzentriert, im Fall von digitalen Giganten zu kurz greift.

Khan, zuletzt Professorin an der nicht weniger elitären New Yorker Columbia University, arbeitete nach dem Studium für eine Lobbyorganisation, die sich kritisch zur Macht der Tech-Riesen äußerte. Außerdem arbeitete sie im Auftrag der Demokraten am jüngsten Kartellreport des Justizausschusses im Repräsentantenhaus mit. Das Gremium hatte nach längeren Ermittlungen Reformvorschläge zur Machtbeschneidung von Technologiekonzernen ge­macht, die jetzt in Gesetzesvorschläge eingehen.

Die FTC prüft derzeit die im Mai angekündigte Übernahme des Hollywood-Filmstudios MGM durch Amazon. Außerdem hatte die Behörde – gemeinsam mit mehr als 40 Bundesstaaten – wegen der Übernahme von Instagram und Whatsapp gegen Facebook geklagt. Ein Bundesrichter hatte die Klage kürzlich wegen unzureichender Argumente zwar abgewiesen. Khan und ihre Mitstreiter haben aber bis kommende Woche Zeit, die Klage in überarbeiteter Form erneut einzureichen.

Khan ist nicht die einzige Person in der Regierung von US-Präsident Joe Biden, an der sich die Tech-Riesen reiben. Im März holte Biden einen Kollegen von Khan aus der juristischen Fakultät der Columbia University in seinen Nationalen Wirtschaftsrat: Tim Wu (49). Wu, der sich dort um Technologie- und Wettbewerbsthemen kümmert, gilt als einer der Vordenker der Idee, Technologiefirmen zu zerschlagen, um Wettbewerb zu fördern. In seinem 2018 erschienenen Buch „The Curse of Bigness – Der Fluch der Größe“ argumentierte Wu, dass wirtschaftliche Konzentration nicht nur die Einkommensschere vergrößere, sondern auch die Demokratie bedrohe.

Biden hatte sich im Vorwahlkampf im Gegensatz zu Konkurrenten wie der Senatorin Elizabeth Warren nicht dezidiert zu einer möglichen Zerschlagung von Tech-Firmen geäußert. In dieser Woche machte Biden mit einer weiteren Personalie aber deutlich, dass die Zeiten für Big Tech in Washington rauer werden. Biden kündigte an, den Kartellrechtler und Tech-Kritiker Jonathan Kanter (47) zum Leiter der Antitrust-Abteilung im US-Justizministerium zu nominieren, der neben der FTC wichtigsten amerikanischen Kartellbehörde. Kanter hat in der Vergangenheit Unternehmen wie Microsoft vertreten, die sich von den Geschäftsmethoden des Internetkonzerns Google geschädigt sahen. Das Justizministerium wirft Google derzeit vor, mit fragwürdigen Methoden ein Monopol für seine Suchmaschine und das damit verbundene Werbegeschäft aufrechtzuerhalten.

Kanter befürwortete früh ein ag­gressiveres Vorgehen der Kartellwächter gegen die Tech-Giganten. Vor fünf Jahren erklärte er bei einer Veranstaltung, dass die Kartellbehörden es versäumt hätten, Monopolverfahren gegen marktbeherrschende Konzerne vorzubringen. „Die Durchsetzung des Kartellrechts wird so gut wie nicht mehr aufrechterhalten“, sagte er damals. „Wann war das letzte Mal, dass eine große Kartellbehörde eine Monopolklage vorgebracht hat?“, fragte er das Publikum – und lieferte die Antwort gleich mit: „Sie können sich nicht daran erinnern, weil sie es nicht getan haben.“