Ein Österreicher als Stahlspitze
wb – Ein großer Tag für die kleine Voestalpine: Wolfgang Eder, der Chef des im internationalen Maßstab nicht zu den Branchenriesen zählenden österreichischen Stahlkonzerns, ist auf der Weltstahlkonferenz in Sao Paulo zum Vizepräsidenten des Weltstahlverbandes bestellt worden. Dies bedeutet, dass er aller Voraussicht nach nächstes Jahr Präsident wird. Mit Eder, seit 2004 Vorstandsvorsitzender und CEO der Voestalpine aus Linz, ist der erste Österreicher in dieser Funktion. Seine Vorgänger an der Spitze der World Steel Association kommen aus China, Russland und Korea. Neuer Präsident des Verbandes wird der bisherige Vize Joon-Yang Chung. Der bisherige Präsident Alexey Mordashov wird nächstes Jahr wieder ein Jahr lang zweiter Vize an Eders Seite.Mit ihm spricht ein Manager für die Branche, der in seiner charmant und verbindlich vorgetragenen Kritik vornehmlich der Politik hart zur Sache geht und nicht davor zurückscheut, das ganz große Bild negativer Implikationen von Entscheidungen etwa in Brüssel zu zeichnen. Dabei versteht sich Eder, wie er jüngst im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten sagte, keinesfalls als Lobbyist, sondern stets als Vertreter der Interessen seines Unternehmens. Manche seiner Kritikpunkte lassen sich insofern als Verkaufsempfehlung für die Voest-Aktie verstehen – so aber betrachtet Eder das naturgemäß nicht. Charmant, aber hartWenn Europa nicht bald bremse, und zwar bei Energiekosten, Sozialwesen und Bürokratie, werde es in zehn bis 15 Jahren ohne nennenswerte Industrie dastehen, schätzt Eder. Brüssel habe sich 2001 das Ziel gesetzt, wettbewerbsstärkste Region zu werden. Davon sei die EU auch deshalb so weit entfernt, weil auch die EU die Industrie immer stärker belaste. “Entweder Europa schafft eine Reindustrialisierung, oder wir stehen vor Wohlstandsverlust und Sozialkonflikten.” Und wenn die Politik die Premiumwagen und Massenprodukte der Autoindustrie (sie steht für 29 % des Voest-Geschäfts) gleich behandle, dann marschiere die Region mitten hinein in soziale Unruhen. Dass Voestalpine mit seinen verschiedenen Standorten als größter CO2-Emittent der Alpenrepublik gilt, sagt er nicht. Aber auch mit seinen Stahlkollegen hat er sich mit Warnungen vor Überkapazitäten nicht immer beliebt gemacht.Europa, so die tröstliche Einschätzung, habe aber noch das Zeug, wieder zu einer starken Industrieregion zu werden, da die Innovationskraft hier noch groß sei. Immerhin betrachtet er die Voestalpine mit ihrem “Hightech-Stahl” als einen stahlbasierten Technologie- und Industriegüterkonzern mit Standorten in mehr als 50 Ländern auf allen fünf Kontinenten. Der Umsatz lag zuletzt mit 46 400 Beschäftigten beim Spitzenwert von 11,5 Mrd. Euro, das operative Ergebnis (Ebitda) erreichte 1,45 Mrd. Euro. Für das Jahr 2020 setzt Eder ein Umsatzziel von 20 Mrd. Euro an, wobei Energie dann 20 % als Kundenbranche ausmachen soll und die Bedeutung Europas von jetzt 77 auf 50 % durch Wachstum vornehmlich in Asien abnehmen soll. Als Zielrendite (Ebitda) schweben ihm 14 % vor, wobei sich das eingesetzte Kapital 2020 mit 15 % verzinsen soll.Der 1952 am Attersee Geborene studierte in Salzburg, promovierte in Jura und ist seit 1978 bei dem Konzern. 1995 war er maßgeblich am Börsengang der Voest-Alpine Stahl beteiligt. Seit Ende 1995 ist er Mitglied des Vorstandes, seit April 2004 leitet er den Konzern.