Elektronikfachmann soll Ferrari fit für die Zukunft machen
Ferrari auf dem Weg zur Elektrifizierung
Benedetto Vigna führt Ferrari in ein neues Zeitalter
Der Physiker soll die Führungsrolle des Sportwagenbauers weiter ausbauen
Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand
Seit fast vier Jahren steht Benedetto Vigna (56) jetzt an der Spitze des Sportwagenbauers Ferrari. Die anfängliche Skepsis über die Berufung des Physikers, der über keinerlei Erfahrung in der Autoindustrie verfügte, ist längst gewichen. Denn in einer sehr schwierigen Phase für die Autoindustrie eilt Ferrari von Rekord zu Rekord: Mit einer Nettomarge von 30,3% im ersten Quartal, einem Umsatzanstieg von 13% und einem Nettogewinn von 412 Mill. Euro (plus 17%) gibt es nicht die geringsten Anzeichen für ein Ende der positiven Entwicklung. Trotz der US-Zölle, auf die Ferrari mit Preiserhöhungen für einige Modelle um bis zu 10% reagierte, bestätigte Vigna die Jahresziele.
Hohe Marktkapitalisierung
Das spiegelt sich auch im Börsenkurs wider: Mit einer Kapitalisierung von mehr als 82 Mrd. Euro lassen die Italiener fast alle anderen Autoproduzenten weit hinter sich. Ferrari ist eher mit Super-Luxus-Unternehmen wie Hermès vergleichbar als mit VW oder Mercedes-Benz. Nur die Audi-Tochter Lamborghini kommt da heran. Die Reichen der Welt reißen sich um das bewusst knapp gehaltene Angebot. Das wahrt die Exklusivität. Mit individualisierten Sondermodellen werden besonders hohe Margen erzielt. Dazu kommen Partnerschaften, etwa im Jachtenbereich.
Führungsrolle stärken
Doch Vigna hat sich von Anfang an nicht auf den Lorbeeren ausgeruht. Entschlossen bereitet der im süditalienischen Potenza geborene Lehrersohn, der an der renommierten Universität Pisa studiert hat, Ferrari auf die Herausforderungen der Zukunft vor. Der Fachmann für Elektronik setzt auf neue Antriebsformen und neue Technologien. Er hat den größten Teil seines Berufslebens beim Chip-Produzenten STMicroelectronics verbracht und hält mehr als 200 Patente vor allem in den Bereichen Konnektivität und Imaging. Er ist geholt worden, um die Führungsrolle des Herstellers „der schönsten und technologisch anspruchsvollsten Autos der Welt zu stärken“. Schon kurz nach seinem Amtsantritt am 1. September 2021 hatte er viele Elektronik- und IT-Fachleute ins Unternehmen geholt. Sie sollen helfen, das zu 21,2% von der börsennotierten Holding Exor der Fiat-Eigentümerfamilie Elkann-Agnelli kontrollierte Unternehmen dafür fit zu machen. Etwa die Hälfte der Verkäufe wird bereits mit Hybrid-Fahrzeugen erzielt. Und im Oktober 2026 soll das erste vollelektrische Modell ausgeliefert werden. Ferrari kommt damit viel später als etwa Porsche oder andere Autohersteller. Doch Vigna sagt, es sei „nicht wichtig, der Erste zu sein, sondern mit einer einzigartigen Technologie aufzuwarten“: Einer „In-House“ entwickelten Lösung. Die Hybrid- und Elektro-Autos werden in einer 2024 eröffneten neuen Produktionshalle am Firmensitz in Maranello bei Modena produziert und auch die Batterien fertigt Ferrari selbst – zusammen mit einem Partner.
„Nicht wichtig, der Erste zu sein“
So hofft Vigna, die Kunden in das neue Zeitalter mitzunehmen. Die Kundentreue ist traditionell sehr hoch. Die meisten Käufer haben mehrere Ferrari in ihren Garagen stehen. Sie sind so reich, dass konjunkturelle Schwankungen keine Rolle für sie spielen. Und die Hälfte der Ferrari-Kunden ist jünger als 40. Sie seien offen für neue Antriebsformen.
Sorgen bereitet Vigna die anhaltende Erfolgsflaute in der Formel 1. Selbst mit dem siebenmaligen Weltmeister Lewis Hamilton fährt Ferrari in dieser Saison meist weit hinterher. Der Rennstall liegt deutlich hinter McLaren. Und in der Fahrerwertung rangiert Charles Leclerc vor Hamilton nur auf Rang 5.
Sorgenkind Formel 1