Neue Halbleitertechnik

Ex-Intel-Chef Gelsinger zieht mit Startup Staatsinvestitionen an

Pat Gelsinger will nicht als Manager in Erinnerung bleiben, unter dem Intel tiefer in die Krise schlitterte. Nun greift er mit einem jungen Unternehmen und ambitionierten Plänen neu an.

Ex-Intel-Chef Gelsinger zieht mit Startup Staatsinvestitionen an

Ex-Intel-Chef zieht mit Startup Staatsmittel an

Von Alex Wehnert, New York

Pat Gelsinger will die womöglich letzte Chance nutzen, um seine Geschichte als Gescheiterter umzuschreiben. Der ehemalige Vorstandschef von Intel will nicht als Manager in Erinnerung bleiben, der mit vollmundigen Ambitionen antrat, um die Kehrtwende bei dem strauchelnden Chipriesen einzuleiten – und unter dem der Konzern noch tiefer in die Krise schlingerte. Vielmehr nimmt er einen neuen Anlauf im Halbleitersektor: Bei dem Startup XLight ist er seit März als Exekutivchef des Verwaltungsrats an Bord – und zieht mit seinem neuen Unternehmen nun umfangreiche Staatsmittel an.

So will die US-Regierung, die sich unter Präsident Donald Trump als aktiver Investor in kritischen Branchen betätigt, gemäß Ankündigung von Anfang Dezember bis zu 150 Mill. Dollar in XLight stecken. Das Startup überzeugte in Washington offenbar mit seinen Plänen, fortschrittlichere Halbleiter-Fertigungstechnik in den Vereinigten Staaten zu entwickeln.

Regierung als größter Aktionär

Die in der Absichtserklärung zugewiesenen Mittel stammen aus dem Chips and Science Act, den Trumps Amtsvorgänger Joe Biden 2022 unterzeichnete und der insgesamt rund 280 Mrd. Dollar für die Forschung an und Produktion von Halbleitern vorsah. Dies bedeutet die erste Zuweisung aus dem Programm unter der aktuellen Administration. Zunächst sind die Mittel zunächst als Anreize der Bundesregierung strukturiert, die im Gegenzug aber eine Beteiligung an XLight erhalten soll und damit wohl zum größten Anteilseigner des Unternehmens aufsteigt.

Die niederländische ASML ist bisher der einzige Produzent von EUV-Maschinen.
Die niederländische ASML ist bisher der einzige Produzent von EUV-Maschinen.
picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa

Konkret soll das Startup daran arbeiten, den als Extreme Ultraviolet Lithography (EUV) bekannten Prozess zu optimieren, der in der Chipherstellung eine zentrale Rolle spielt. Dieser nutzt extrem kurzwelliges Licht, um winzige Strukturen auf Silizium-Wafern abzubilden und so hochgradig effiziente und schnelle integrierte Schaltkreise aufbauen zu können. Bisher ist die niederländische ASML der weltweit einzige Hersteller enorm komplexer EUV-Maschinen, deren Kosten bei mehreren 100 Mill. Dollar pro Einheit liegen können. XLight will die für den Prozess benötigten Laser verbessern und ihre Lichtquellen in die Produkte von ASML integrieren.

Markige Worte

„Einen energieeffizienten EUV-Laser mit zehnfachen Verbesserungen gegenüber der heutigen Technologie zu bauen, wird die nächste Ära des Moore'schen Gesetzes antreiben“, sagte Gelsinger im Rahmen der Bekanntgabe des Deals mit Washington und bezog sich dabei auf eine Faustregel der Halbleiterfertigung. Das Moore'sche Gesetz besagt, dass sich die Zahl der Transistoren integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten rund alle zwei Jahre verdoppelt, und bildet eine entscheidende Planungsgrundlage für Entwicklung und Forschung in der Chipindustrie. Laut Gelsinger ist diese Regelmäßigkeit allerdings etwas abhanden gekommen. Es gehe darum, diese „wieder aufzuwecken“.

Der ehemalige Intel-Chef spart nicht an markigen Worten. XLight werde mit ihren Bemühungen die Produktivität von Halbleiterfabriken beschleunigen und „kritische inländische Kapazitäten“ aufbauen, lässt sich Gelsinger zitieren. Die von XLight zu entwickelnde Technologie könne die Effizienz in der Verarbeitung von Halbleitern um 30 bis 40% antreiben.

Verlustreiche Fertigungsstrategie

Viele aktuelle und ehemalige Regierungsvertreter werfen Gelsinger allerdings vor, bereits als Intel-CEO zu große Töne gespuckt zu haben. Noch im November 2024 erhielt der Chipriese unter seiner Führung Subventionen im Volumen von 7,87 Mrd. Dollar, die bei der Finanzierung neuer Fabriken in vier US-Bundesstaaten helfen sollten. Die Mittel sollten ihm bei seiner teuren strategischen Wende helfen, in deren Zuge er eine enorm verlustreiche Auftragsfertigung aufbaute. Im sogenannten Foundry-Geschäft scheiterte Intel daran, nennenswert mit Spezialisten wie dem taiwanesischen Marktführer TSMC zu konkurrieren und Aufträge von Designern wie Qualcomm anzuziehen. 

Intel-CEO Lip-Bu Tan hat bei dem einstigen Chipdominator noch harte Arbeit vor sich.
Intel-CEO Lip-Bu Tan hat bei dem einstigen Chip-Dominator noch harte Arbeit vor sich.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Chiang Ying-ying

Für Gelsinger war nach seinen uneingelösten Versprechen im Dezember 2024 Schluss. Darauf kam es zu einer chaotischen Phase, erst im März trat CEO-Nachfolger Lip-Bu Tan an – und unter dem zunächst von Trump scharf kritisierten Manager zog Intel eine direkte Staatsbeteiligung der US-Regierung an. Der unter Gelsinger schwer gebeutelten Aktie hat das zunächst gutgetan. Doch Analysten warnen davor, dass der Deal mit Washington Intel die Möglichkeit raubt, ihre hoch defizitäre Foundry zu veräußern.

Persönliche Angelegenheit

Gelsinger erachtet die Zeit, in der er die Geschicke des Chipriesen lenkte, indes als Geschichte ohne Abschluss. „Ich war noch nicht fertig“, sagte der 64-Jährige gegenüber dem „Wall Street Journal“. Der bittere Abgang aus seinem alten Job wird für ihn damit zum Motivator für seine neue Aufgabe. „Das hier ist sehr persönlich für mich“, betonte er mit Blick auf XLight.

Schon der Top-Job bei Intel war für Gelsinger laut Wegbegleitern mehr als eine unternehmerische Aufgabe – er habe es als persönliches Ziel gesehen, den Chipkonzern wieder zu altem Glanz zu führen. So stemmte er sich zwischenzeitlich auch mit privaten Mitteln gegen den jahrelangen Kursverfall bei Intel und kaufte über Familientrusts und sein Depot tausende Aktien der Kalifornier auf. Seinen Rücktritt bezeichnete er seinerzeit als „bittersüß“. Es sei seine größte Ehre gewesen, den Konzern zu führen, dem er sein Leben gewidmet habe.

Mehrfach Gescheiterter gibt nicht auf

Der in Pennsylvania geborene Technologiefan schloss sich dem Unternehmen 1979 im Alter von 18 Jahren an. In der Tasche hatte er bereits einen Abschluss der Hochschule Lincoln Tech in New Jersey, nachdem er sich mit 16 Jahren für ein Früh-Stipendium qualifiziert hatte. In den 1980er Jahren machte er sich als Architekt von Hochleistungsprozessoren einen Namen und schloss ein Masterstudium des Elektroingenieurwesens und der Computerwissenschaften an der Renommier-Universität Stanford ab. Dabei galt er als Zögling des legendären CEO Andy Grove.

US-Handelsminister Howard Lutnick ist von XLight fasziniert.
US-Handelsminister Howard Lutnick ist von XLight fasziniert.
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Im Jahr 2001 wurde Gelsinger zum ersten Chief Technology Officer von Intel, musste 2009 jedoch nach Fehlschlägen mit einem Grafikchip-Projekt seinen Hut nehmen. Nach Stationen bei dem von Dell aufgekauften Festplatten-Entwickler EMC und als CEO bei dem von Broadcom übernommenen Cloud-Computing-Anbieter VMWare kehrte er 2021 als Vorstandschef zu Intel zurück.

Handelsminister als Fan

Nach seinem erneuten unfreiwilligen Abgang behielt er den Markt indes genau im Blick. Schon im Februar des laufenden Jahres stellte Gelsinger XLight nach eigenen Angaben bei US-Handelsminister Howard Lutnick vor – angeblich, noch bevor der ehemalige Intel-Chef in den Verwaltungsrat des Startups aufrückte und der einstige Cantor-Fitzgerald-Lenker vom Senat in seiner politischen Rolle bestätigt wurde. Nach Gelsingers Darstellung beschrieb er XLight in einem Telefonat als Unternehmen, das dabei helfen könne, wieder mehr Chipfertigungsprozesse in die USA zu holen – heute dominiert Asien die Produktion.

Lutnick sei „fasziniert“ gewesen, sagte Gelsinger. Auch in der Mitteilung zu den Staatsinvestitionen äußerte sich der Handelsminister überschwänglich. „Mit dieser Partnerschaft unterstützen wir eine Technologie, die Grenzen der Chipfertigung fundamental umschreiben kann“, ließ Lutnick sich zitieren. Die Innovation stelle „die amerikanische Führungsrolle wieder her“, sichere Lieferketten und „garantiert, dass die nächste Generation an Halbleitern in den USA geboren wird“. Nun muss Gelsinger auch liefern.