„Extremwetter trifft unsere Assets in den USA genauso wie hier“
„Extremwetter trifft unsere Assets in den USA genauso wie hier“
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Maria Paradies ist keine klassische Nachhaltigkeitsexpertin – und das ist ihre Stärke. Als Global Head of Group Strategy & Sustainability bei Commerz Real verantwortet sie nicht nur das ESG-Rahmenwerk des Unternehmens, sondern seit Juni 2025 auch die Gesamtstrategie. Ein klares Zeichen dafür, wie eng Nachhaltigkeit und Unternehmensentwicklung verknüpft sind. Commerz Real zählt mit rund 35 Mrd. Assets under Management zu den führenden Anbietern in Deutschland und verwaltet mit dem Hausinvest einen der drei größten offenen Immobilienfonds.
Für Paradies ist Nachhaltigkeit kein Spezialthema, sondern ein Querschnitt, der alle Unternehmensbereiche betrifft – von der Produktentwicklung bis zur Kommunikation. „Mit diesem Rahmenwerk zeigen wir, dass Nachhaltigkeit eine zentrale Bedeutung in der Commerz Real hat und eine Aufgabe ist, die wir nur gemeinsam angehen können.“
Der Weg dorthin begann für sie nicht in der Umweltökonomie, sondern im Bankgeschäft. Nach einem Master in Finance an der TU Chemnitz und dem Einstieg in die interne Beratung des Commerzbank-Konzerns arbeitete sie in verschiedenen Projekten – später auch im Personalbereich, unter anderem zu Restrukturierungen und arbeitsrechtlichen Fragen. 2021 wechselte sie zur Commerz Real, zunächst als Referentin des Vorstandsvorsitzenden. Zwei Jahre später übernahm sie den neu geschaffenen Bereich Group Strategy & Sustainability.
Prozesse, Policies und Strukturen
„Wir mussten erst mal Grundlagen schaffen: Prozesse, Policies, Strukturen – das klingt trocken, ist aber entscheidend, um Nachhaltigkeit im Unternehmen wirklich zu verankern.“ Die Arbeit an ESG sei dabei keine isolierte Aufgabe, sondern verlange strategisches Verständnis, Projekterfahrung und die Fähigkeit zur Kommunikation über Bereichsgrenzen hinweg.
Ein Schlüsselwerkzeug ist dabei das ESG-Rahmenwerk. Es bildet die Leitplanken für nachhaltiges Handeln innerhalb der Commerz Real – und richtet sich explizit auch an externe Anspruchsgruppen. Besonders wichtig ist Paradies, dass der Nachhaltigkeitsbericht mehr ist als eine Zahlenaufstellung: „Unser Ziel ist es, dass sich das Dokument trotz vieler Daten und nachhaltigkeitsbezogener KPIs nicht wie ein trockener Bericht liest, sondern wie das, was es ist: ein leidenschaftliches, langfristiges Projekt, das wir kontinuierlich fortführen und laufend aktualisieren.“
Maßgeschneiderte ESG-Lösungen auf Objektebene
Doch zwischen Anspruch und Umsetzung liegt oft die operative Komplexität. „Jedes Asset bei uns ist anders. Wir müssen jede Immobilie einzeln bewerten, um sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln. Was bei der einen Immobilie funktioniert, kann bei der anderen scheitern.“ Die ESG-Ziele der Commerz Real lassen sich nicht per Schablone auf das Portfolio übertragen – es braucht maßgeschneiderte Lösungen auf Objektebene.
Ein zusätzlicher Faktor ist der enorme Datenbedarf. „Es ist erschreckend, wie viel Zeit und Energie auf die Datenerhebung verwendet werden muss. Eigentlich sollte es darum gehen, die KPIs zu verbessern.“ Die Commerz Real fällt als Teil der Commerzbank ab 2024 unter die CSRD-Berichtspflicht. Das bedeutet: viele neue Prozesse, viele beteiligte Einheiten, viel Abstimmung.
In Europa ist ESG Standard
Auch im internationalen Kontext beobachtet Paradies große Unterschiede. In Europa sei ESG heute weitgehend Standard. „In den USA ist die Tonalität rund um ESG anders, aber Extremwetter trifft unsere Assets dort genauso wie hier.“
Und schließlich bleibt die Frage nach der richtigen Dosis Regulierung. Paradies sieht den Aufwand – aber auch die Notwendigkeit: „Ohne verpflichtende Regulierung stehen große Player am Ende der Kette oft blank da, weil kleinere Marktteilnehmer keine Daten mehr liefern müssen. Manche Mittelständler können sich zwar keine Nachhaltigkeitsabteilung leisten. Wir dürfen sie mit Regulierung nicht überfordern, aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen.“