Von Gerhard Bläske, Mailand, und Gesche Wüpper, ParisWeihnachten, das Fest des Friedens? Wie in vielen Familien treten ausgerechnet jetzt in der Adventszeit auch bei EssilorLuxottica die Spannungen offen zu Tage. Wieder einmal. Denn der Haussegen hing bei dem französisch-italienischen Brillenkonzern bereits kurz nach der Hochzeit im Oktober 2018 schief. Nachdem sich die Wogen zwischendurch wieder geglättet haben, flammen die Machtkämpfe immer wieder auf, wie nun ein erneuter Führungswechsel zeigt. Die bisherigen Chefs machen Platz für eine neue französisch-italienische Doppelspitze, die aus den bisherigen Leitern der beiden wichtigsten Sparten besteht.Provoziert wurde der Wechsel durch die Entscheidung von Hubert Sagnières. Der 65 Jahre alte französisch-kanadische Chef des französischen Brillenglasherstellers Essilor war einer der beiden Co-Chefs des Gesamtkonzerns. Er hat nun bekannt gegeben, sich aus der operativen Geschäftsführung der Gruppe und ihrer Filialen zurückziehen zu wollen. Damit hat er seinen italienischen Mit-Chef, den Luxottica-Gründer Leonardo Del Vecchio, unter Zugzwang gesetzt. Der 85-jährige Italiener, dessen Holding Delfin 32,3 % des Kapitals und 31 % der Stimmrechte des Konzerns kontrolliert, habe entschieden, sich freiwillig ebenfalls von seinen Führungsaufgaben zurückzuziehen, um das Machtgleichgewicht zu wahren, teilte EssilorLuxottica mit.Del Vecchio bleibt Chef des Verwaltungsrates, Sagnières stellvertretender Vorsitzender des Kontrollorgans. Die operative Geschäftsführung des Brillenkonzerns übernimmt nun Luxottica-Generaldirektor Francesco Milleri als CEO, unterstützt von Paul du Saillant als stellvertretenden Chef. Der 1959 geborene du Saillant ist seit Ende März Generaldirektor von Essilor International. Der ebenfalls 61-jährige Milleri gilt als enger Vertrauter von Del Vecchio. Er war bisher Vizepräsident, Luxottica-CEO und rechte Hand Del Vecchios – und er ist seit Jahren dessen Wunschkandidat für den Chefposten. Dass er ihn nun in diese Position hieven konnte, wird in Italien als Sieg Del Vecchios interpretiert.Milleri ist seit vielen Jahren in Führungspositionen für Luxottica bzw. EssilorLuxottica tätig. Begonnen hatte er nach einem Jurastudium in Florenz, einer Tätigkeit als Dozent für Politische Wissenschaften, einem MBA an der Mailänder Universität Bocconi und einem zweijährigen Zusatzstudium an der New York University Stern School of Business zunächst als Business Consultant. Milleri gilt als Digitalspezialist.Um das italienisch-französische Gleichgewicht zu wahren, wird ihm mit du Saillant ein französischer Stellvertreter zur Seite gestellt. Die neue Führungslösung soll aber zunächst nur so lange gelten, bis der neue Verwaltungsrat auf der Hauptversammlung im Mai nächsten Jahres gewählt worden ist.Nach einem Führungsstreit hatten sich die französische und die italienische Seite eigentlich bereits im Frühjahr 2019 darauf geeinigt, dass Del Vecchio und Sagnières die operative Geschäftsführung an Milleri und Essilor-Generaldirektor Laurent Vacherot abgeben sollen. Milleri und Vacherot sollen aber klargemacht haben, dass sie die Leitung des fusionierten Konzerns nicht übernehmen wollen.Dann wurde Ende letzten Jahres ein Betrug in einem thailändischen Essilor-Werk entdeckt. Daraufhin trat die damalige Co-Finanzchefin Hilary Halper kurz vor Veröffentlichung der Bilanz im März zurück. Noch im selben Monat verabschiedete sich Vacherot, dessen Kopf die italienische Seite ebenfalls gefordert hatte, in den Ruhestand und du Saillant, ein Neffe des gerade des verstorbenen Ex-Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing, folgte auf seinen Posten.