Goldman-Spitzenkräfte ziehen sich Trumps Ärger zu
Goldman-Spitzenkräfte ziehen sich Trumps Ärger zu
Von Alex Wehnert, New York
Die Investmentbank Goldman Sachs hat sich eine heftige öffentliche Retourkutsche von US-Präsident Donald Trump eingehandelt. Die Ökonomen des Wall-Street-Hauses hatten am Sonntag eine Studie veröffentlicht, gemäß der amerikanische Verbraucher bis Ende Juni 22% der Kostenanstiege durch die Zollpolitik des Republikaners geschultert hätten – in den kommenden Monaten aber wohl 67% absorbieren müssten, wenn weitere Handelsvereinbarungen Washingtons ähnlich ausfielen wie die zuletzt geschlossenen.
Die Prognose ist unter Volkswirten keineswegs kontrovers, dennoch rief sie bei Trump gewaltigen Unmut hervor. Goldman-CEO David Solomon solle „losziehen und sich einen neuen Ökonomen suchen“, schrieb der Präsident auf der Plattform Truth Social – damit zielte er offenbar auf Jan Hatzius ab, den Chefvolkswirt der Bank. Der gebürtige Heidelberger ist seit 1997 für Goldman Sachs aktiv und stieg 2011 zu ihrem obersten Ökonomen auf.
Unmut über Prognosen
Hatzius' Team zog sich bereits in der Vergangenheit den Unmut des Trump-Lagers zu. So prognostizierte Goldman vor den vergangenen Präsidentschaftswahlen, dass ein demokratischer Sieg der US-Wirtschaft einen leichten Wachstumsschub verleihen könnte, während ein Erfolg Trumps ihr einen Dämpfer von bis zu 50 Basispunkten verpassen könne. Kevin Hassett, heute Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates der USA, zeigte sich damals öffentlich darüber verärgert, dass „Goldman nicht versucht hat, ein ausgewogeneres Team an Ökonomen einzustellen“. Zudem kritisierte Hatzius, auch in einem Interview der Börsen-Zeitung, wiederholt den wenig nachhaltigen Weg, auf dem sich die amerikanischen Staatsfinanzen befänden. Ökonomen prognostizieren infolge von Trumps im Juli unterzeichnetem Mega-Fiskalpaket, der „Big, Beautiful Bill“, eine weitere Ausweitung der ohnehin schon hohen Defizite.

Goldman Sachs
Der Präsident kritisiert hingegen, Goldman habe „schon vor langer Zeit eine schlechte Prognose“ zur wirtschaftlichen Entwicklung der USA und den Zöllen abgegeben. Nach seiner Darstellung müssen nicht die Verbraucher Mehrkosten durch die „Tariffs“ schultern, sondern „Unternehmen und Regierungen, viele davon aus dem Ausland“. Am Dienstag veröffentlichte Daten zeigen zwar, dass der Anstieg der Verbraucherpreise zum Vorjahr im Juli konstant geblieben ist – doch die bei Notenbankern viel beachtete Kernrate der Inflation zog so stark an wie seit fünf Monaten nicht und damit stärker als erwartet. Zuletzt wütete Trump bereits gegen Walmart, da der Einzelhandelsriese bei seiner jüngsten Zahlenvorlage ankündigte, aufgrund der Zölle die Preise erhöhen zu müssen. Zudem warnte der Präsident US-Autobauer vor Preiserhöhungen.
DJ-Aktivitäten bieten Angriffsfläche
Trump schießt nun allerdings nicht nur gegen Hatzius, auch CEO Solomon kriegt von dem Republikaner sein Fett weg. Statt ein großes Finanzinstitut zu führen, solle sich der Vorstandschef vielleicht lieber auf seine Aktivitäten als DJ konzentrieren, schrieb Trump auf Truth Social. Goldman will sich auf Anfrage der Börsen-Zeitung nicht zu der Angelegenheit äußern.
Allerdings bietet Solomons Musik-Hobby nicht zum ersten Mal Angriffsfläche. So kochten 2023 Vorwürfe über mögliche Interessenkonflikte des CEO hoch, nachdem dessen Remix des Whitney-Houston-Klassikers „I Wanna Dance with Somebody (Who Loves Me)“ auf der Streaming-Plattform Spotify zum Hit wurde. Die Musikfirma Primary Wave, die Beteiligungen am Werk Houstons hält, zählte zu den Kunden von Goldman Sachs. Der CEO des Publishers, Lawrence Mestel, überzeugte Nachlassverwalterin Pat Houston, Solomon die Erlaubnis zur Nutzung des Liedes zu erteilen – so stellt es die Schwester der 2012 verstorbenen Sängerin dar. Es stand der Vorwurf im Raum, Solomon habe seine Geschäftskontakte in unzulässiger Weise genutzt, um seine DJ-Karriere voranzutreiben. Der Bankenchef kündigte schließlich an, seinem Hobby nicht mehr öffentlich nachgehen zu wollen.
Attacke auf Intel
Trump, der Amerikas führenden Geldhäusern eine jahrelange Diskriminierung konservativer Kunden vorwirft, intensiviert nun also seine Attacken nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf einzelne Führungskräfte. Zuletzt hatte Trump schon Lip-Bu Tan, CEO des gebeutelten Chipherstellers Intel, den Rücktritt nahegelegt. Der Präsidenten warf dem Manager zu große Nähe zu China vor.

Intel
Der in Singapur und Malaysia aufgewachsene Sohn einer aus China stammenden Familie kam bereits in den späten 1970er Jahren als Doktorand in die USA, investierte später über seine Venture-Gesellschaft Walden International und andere Vehikel allerdings in mehr als 600 chinesische Unternehmen – darunter auch einige mit Militär-Verbindungen. Tan wies die Rücktrittsforderungen zurück und betonte, es seien „viele Fehlinformationen“ über seine früheren Tätigkeiten im Umlauf.
Nach einem persönlichen Treffen mit dem Manager zu Beginn der laufenden Woche schlug Trump dann versöhnlichere Töne an. Der Aufstieg Tans sei eine „tolle Geschichte“. Der CEO solle gemeinsam mit Handelsministerium und Treasury nun Vorschläge erarbeiten, wie Washington Intel unterstützen und die Technologieführerschaft der USA stärken könne.
Starkes Druckmittel
Für Goldman und andere Geldhäuser dürfte die Schadenbegrenzung weniger einfach werden. Unter Analysten an der Wall Street herrscht massive Verunsicherung bezüglich des Umgangs mit kritischen Studien. Denn sie fürchten, dass ihre Häuser infolge missliebiger Ergebnisse vom Präsidenten drangsaliert oder ins Abseits gestellt werden könnten. Trump verfügt mit der potenziellen Privatisierung der staatlich gestützten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac über ein starkes Druckmittel an der Wall Street. Börsengänge der Häuser zu den aktuell diskutierten Bewertungen könnten unter die größten Deals aller Zeiten aufsteigen. Eine Beteiligung an solchen Transaktionen will sich keine führende Investmentbank entgehen lassen – Häuser wie Goldman und Morgan Stanley besitzen damit eigentlich große Motivation, sich Trump gewogen zu halten.