Gunnar Wiedenfels muss TV-Geschäft von Warner retten
Gunnar Wiedenfels muss TV-Geschäft von Warner retten
Von Alex Wehnert, New York
Der Platz von Gunnar Wiedenfels muss an diesem Junimorgen in New York leer bleiben. Das Deutsche Konsulat hat Vertreter aus der amerikanischen Wirtschaft zu einem Austausch mit der Delegation von Borussia Dortmund eingeladen, die zur Klub-Weltmeisterschaft in den Vereinigten Staaten weilt. Wiedenfels, Finanzchef des Medienkonglomerats Warner Bros. Discovery und gesuchter US-Kontakt für Unternehmer aus der Bundesrepublik, soll dabei eigentlich als Co-Gastgeber agieren. Doch der CFO lässt sich entschuldigen – denn er durchlebt gerade wohl die folgenreichsten Tage seiner Karriere.
Aufstieg zum CEO
Der 47-Jährige, der ab 2009 sieben Jahre lang für ProSiebenSat.1 aktiv war und dort ebenfalls zum Finanzvorstand aufstieg, hat die Aufspaltung von Warner Bros. Discovery in zwei neue Einheiten zu managen. Der ersten, in der die Film- und TV-Studios des Konglomerats sowie der Streamingdienst HBO Max angesiedelt sein sollen, wird der bisherige CEO David Zaslav vorstehen. Bei der zweiten, die unter „Global Networks“ firmiert und Kabelfernsehsender wie CNN und TNT bündeln soll, übernimmt Wiedenfels die Leitung. Die vom Deutschen geführte Gesellschaft soll einen Anteil von bis zu 20% am künftigen Schwesterunternehmen halten – daraus resultierende Einnahmen sollen allerdings in den Abbau des Schuldenbergs fließen, den der einstige Wahlmünchner und heutige New Yorker erbt.

picture alliance / Evan Agostini/Invision/AP | Evan Agostini
Der mächtige amerikanische CEO, in den vergangenen Jahren zum Unwillen der Aktionäre mit branchenweiten Spitzenvergütungen überschüttet, schien 2022 am Ziel seiner Ambitionen als Unternehmer-Titan angekommen. Damals fusionierte der Spross einer aus Polen und der Ukraine ausgewanderte jüdischen Familie seinen Medienkonzern Discovery mit der von AT&T abgespaltenen Warner Media und schuf einen Riesen, der einige der prominentesten Namen und Franchises der Entertainment- und Nachrichtenbranche unter einem Dach vereinen sollte.
Die Wall Street zeigte sich weniger begeistert. In den knapp drei Jahren zwischen dem Merger und der Ankündigung der erneuten Aufspaltung verlor die Aktie von Warner Bros. Discovery rund 60% ihres Werts. Einerseits haben sich die Fernsehgewohnheiten der Zuschauer stark verändert, seit Zaslav 2006 bei Discovery das Steuer übernahm und mit einem neuen Fokus auf Reality-TV Ratings und Erlöse anschob. Streamingdienste nahmen bereits 2022 erstmals einen höheren Anteil an der Gesamtbildschirmzeit des US-Publikums ein als das Kabelfernsehen, das einen zentralen Bestandteil des Portfolios von Zaslavs Konglomerat bilden. Im vergangenen Jahr nahm das Unternehmen eine Wertminderung seines Sendergeschäfts um 9,1 Mrd. Dollar vor. Warner suchte mit der eigenen Video-on-Demand-Plattform HBO Max nach Ansicht vieler Aktionäre zu spät den Anschluss an die Konkurrenz um Marktführer Netflix und Disney herzustellen.
Drückende Schuldenlast
Andererseits, kritisieren Analysten, passten Warner Media mit ihrem Hollywood-Glamour und die auf kostengünstig produzierte Formate, durch Akquisitionen schnell gewachsene Discovery als Marken nie so recht zusammen. Nun machen Zaslav und Wiedenfels, der 2017 zu Discovery stieß und neben dem „Big Boss“ zu den Chefarchitekten des folgenreichen Warner-Mergers zählte, ihren Deal also praktisch wieder rückgängig. Das Problem: Um die Fusion zu finanzieren, nahmen sie seinerzeit Kredite im Volumen von mehr als 50 Mrd. Dollar auf.
Zwar ist es Warner Bros. Discovery seither gelungen, die Schuldenlast erheblich zu reduzieren – dies allerdings nur durch milliardenschwere Kostensenkungen sowie eine Reduktion der Marketing- und Produktionsbudgets, der zum Ärger von Fans auch angeblich fast fertiggestellte Filme wie „Batgirl“ zum Opfer fielen. Für letztere Projekte konnte Zaslav steuerliche Abschreibungen geltend machen. Abteilungsleiter zeigten sich intern erbost darüber, umfangreich sparen zu müssen, um den freien Cashflow aufzupolstern, an den wiederum ein großer Teil der Vergütung des CEO gekoppelt ist, und Kredite zurückzahlen zu können.
Aktionäre strafen Zaslav ab
Anstoß erregte auch Zaslavs ausschweifender Lebensstil: Der CEO lässt sich gerne mit Sportlegenden wie Tennis-As John McEnroe, Filmproduzenten wie David Geffen oder Schauspielern wie Dustin Hoffman bei Basketballspielen sehen, während Warner Bros. Discovery im Sparzwang zu großflächigen Entlassungen greift. Besonders bittere Ironie ist es dabei, dass Zaslav die Übertragungsrechte für die NBA, in der seine Lieblingsmannschaft New York Knicks spielt, verloren hat – nachdem er Basketball-Manager öffentlich vor den Kopf stieß. Die Aktionäre stimmten angesichts des Negativtrends und der Unruhe um das Unternehmen auf der Hauptversammlung Anfang Juni in einem nichtbindenden Votum gegen die Vergütung der Führungsmannschaft für 2024, darunter auch Zaslavs Paket im Gesamtvolumen von 51,9 Mill. Dollar.

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Nach der Aufspaltung soll der CEO sein Basissalär von 3 Mill. Dollar pro Jahr behalten, seine Boni für das Erreichen bestimmter Aktienkursmarken sollen allerdings deutlich härter gedeckelt sein. Doch allein durch die Zuteilung frischer Aktienoptionen könnte er infolge der Transaktion über 150 Mill. Dollar einspielen. Wiedenfels erhielt als CFO im vergangenen Jahr 17,06 Mill. Dollar, davon 7 Mill. Dollar in Cash. Sein Kontrakt als Vorstandschef von Global Networks sieht ein Gehalt von 2,5 Mill. Dollar, einen Bonus von 8,75 Mill. Dollar per annum für das Erreichen bestimmter Kursziele sowie jährliche Aktienzuweisungen im Gegenwert von 16 Mill. Dollar vor. Zudem erhält er einmalig Restricted Stock Units und Optionen über 15 Mill. Dollar, die über fünf Jahre übertragbar sind.
Komplexer Kredit-Deal
Dafür muss der Vater von vier Kindern, der in Mannheim Wirtschaftsinformatik studierte und einen Doktortitel der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hält, wohl auch „den Großteil“ der Schuldenlast von Warner Bros. Discovery managen, die sich noch immer auf mehr als 37 Mrd. Dollar summiert, wie Wiedenfels selbst einräumte. Zuletzt hat der CFO eine komplexe Kreditrestrukturierung mit ausgehandelt, in deren Zuge das Konglomerat auch mithilfe eines 17,5 Mrd. Dollar schweren Brückendarlehens von J.P. Morgan Bonds zurückkauft.
Gläubiger können dabei einen Aufschlag gegenüber aktuellen Marktkursen einstreichen, erlösen in vielen Fällen aber weniger als 100 Cent auf den Dollar – schließlich haben die Ratingagenturen Fitch, Moody‘s und S&P die Kreditwürdigkeit von Warner Bros. Discovery, lange Zeit im Investment-Grade-Bereich, zuletzt auf Ramschniveau, herabgestuft. Die Bondinvestoren erklärten sich im Rahmen des Restrukturierungsdeals bereit, bestehende Beschränkungen für die Aufnahme neuer Kredite zu lockern. Zudem sehen sie davon ab, sofortige Rückzahlungen der Anleiheschulden zu fordern, sollten die neu geschaffenen Gesellschaften verkauft werden.
Wall Street rechnet mit Verkauf
Dass solche Veräußerungen das eigentliche Ziel von Zaslav bei der Aufspaltung sind, munkeln Investmentbanker an der Wall Street schon seit Ankündigung des Deals. Der gut vernetzte Wiedenfels, der auch im Aufsichtsrat von SAP sitzt, könnte nach Ansicht von Analysten also zu einem CEO mit singulärem kurzfristigen Fokus werden, der das Global-Networks-Geschäft für potenzielle Interessenten aufhübschen muss.