Harvard-Professor

Hans-Helmut Kotz 65

Wer mit Hans-Helmut Kotz über Ökonomie oder Geldpolitik spricht, geht in der Regel nicht nur mit ein paar neuen klugen Gedanken aus dem Gespräch, sondern meist gleich auch mit einigen Lesetipps.

Hans-Helmut Kotz 65

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Wer mit Hans-Helmut Kotz über Ökonomie oder Geldpolitik spricht, geht in der Regel nicht nur mit ein paar neuen klugen Gedanken aus dem Gespräch, sondern meist gleich auch mit einigen Lesetipps. Kotz, der am Montag seinen 65.Geburtstag feiert, liest sehr viel Fachliteratur, er ist in sehr vielen aktuellen Diskussionen auf dem neusten Stand, und er lässt sein Gegenüber gerne daran teilhaben – inklusive Verweisen auf konkrete wissenschaftliche Arbeiten.

Dass Kotz stets up to date ist, hat zum einen natürlich mit seiner Arbeit zu tun. Kotz ist seit 2010 Visiting Professor an der Harvard-Universität, wo er stets im Herbstsemester einen Kurs im Economics Department gibt, und zudem Programmdirektor am Frankfurter Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, für das er viele hochkarätige Diskussionsveranstaltungen organisiert. Auch selbst veröffentlicht er viel in renommierten Publikationen. Vor allem aber trifft auf Kotz wirklich zu, was oft gerne so dahergesagt oder -geschrieben wird: Ökonomie und Geldpolitik sind Kotz’ Leidenschaft.

Und dieser Leidenschaft geht er nun schon seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten nach. 1984 war Kotz mit 27 Jahren zum Abteilungsleiter Volkswirtschaft bei der DGZ-Bank (eine von zwei Vorläuferinstitutionen der heutigen DekaBank) aufgestiegen – womit er der jüngste Chefökonom am Frankfurter Finanzplatz war. 1999 wechselte er dann zur Bundesbank. Zunächst war er Präsident der Landeszentralbank in der Freien Hansestadt Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Hannover, ehe er dann 2002 in den Bundesbankvorstand aufrückte. Dort verantwortete Kotz zuletzt die Bereiche Finanzstabilität, Märkte und Statistik und vertrat die Notenbank bis 2010 – quasi als „Außenminister“ – in vielen internationalen Gremien.

Kotz war gerne Bundesbanker. „Das war wirklich eine tolle Zeit“, sagt er heute. Nach seinem Ausscheiden gab es mitunter auch mal Spekulationen über eine Rückkehr des SPD-Manns. Aber zugleich trauert Kotz der Zeit keineswegs nach. „Ich bin richtig glücklich mit dem, was ich jetzt tue“, sagt er, und man nimmt es ihm hundertprozentig ab. Dazu mag auch beitragen, dass Kotz den großen öffentlichen Auftritt nie gesucht hat, der für einen Bundesbankvorstand zum Geschäft gehört. Kotz hat stets wenig Aufhebens um seine Person gemacht; so etwas war ihm fast unangenehm. Kotz hat es auch nie wirklich groß in die Medien gezogen. Auch heute äußert er sich eigentlich nie zur aktuellen Geldpolitik, obwohl er das Geschehen weiter intensiv verfolgt – und das nicht erst, seit sein einst enger beruflicher Vertrauter und Freund Joachim Nagel Bundesbankpräsident geworden ist.

In seiner neuen Rolle, die auch noch die Arbeit als Senior Fellow am Center for Financial Studies (CFS) und als Senior Advisor bei McKinsey umfasst, kann Kotz jetzt noch mehr ausleben, was ihn reizt – das wissenschaftliche Arbeiten. Auf die Frage, für welche seiner Aufgaben er aktuell denn am meisten Zeit aufwendet, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Mit Nachdenken!“ Dazu gehören auch viele vertrauliche Gespräche und Diskussionen mit Top-Ökonomen aus aller Welt, die der international bestens vernetzte Kotz oft seit vielen Jahren kennt.

Derzeit treibt ihn nicht zuletzt die Arbeit an der nächsten Ausgabe der „Revue d’Économie Financière“ an, die im Februar zu „Neuen Doktrinen in der Geldpolitik“ erscheinen soll. Die Zeitschrift gibt Kotz, der auch fließend Französisch spricht, zusammen mit Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Be­noît Cœuré heraus, der nun Chef der französischen Wettbewerbsaufsicht wird.

Langweilig ist und wird es Kotz also ganz sicher nicht – auch nicht, wenn er jetzt wie so viele seit einiger Zeit coronabedingt die meiste Zeit in seinem Homeoffice im hessischen Friedrichsdorf verbringt. Vermutlich liegt es auch an diesem intensiven, „sportlichen“ Programm, wenn er im Gespräch wohl halb im Ernst, halb im Spaß sagt: „Ich verstehe nicht, warum ich schon 65 Jahre bin.“

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