Von Michael Flämig, MünchenHauptversammlungen von Scout24 sind gewöhnlich eine beschauliche Angelegenheit. Im vergangenen Jahr beispielsweise erhielt kein Tagesordnungspunkt weniger als 96 % Zustimmung. Diesmal allerdings liegt Aufregung in der Luft: Der Online-Portalbetreiber hat einen aufreibenden Übernahmeversuch durch Finanzinvestoren hinter sich, und nun wird das Management von aktivistischen Investoren wie Elliott angegangen. Es spricht Bände, dass das Aktionärstreffen 2019 mehr als zwei Monate später als jeweils in den Vorjahren stattfindet. Weniger Rentner als sonstIm Raum Cuvilliés des Münchner Sheraton-Hotels steht an diesem Tag vor allem ein Mann im Mittelpunkt: Tobias Hartmann. Der Vorstandsvorsitzende muss nicht nur eine Rede halten, sondern eine schlagfertige Vorwärtsverteidigung aufbauen und dabei juristische Fallstricke im Auge behalten. Keine leichte Aufgabe, schließlich hat Hartmann sein Amt erst im vergangenen November angetreten und noch niemals eine deutsche Hauptversammlung in so herausgehobener Rolle bestimmt. Nicht nur das: Sein Finanzvorstand Dirk Schmelzer ist sogar erst seit Juni an Bord, und Aufsichtsratschef Hans-Holger Albrecht kam ebenfalls nach dem vergangenen Aktionärstreffen an Bord. Seit der letzten Hauptversammlung sei viel passiert, beginnt Albrecht seine Rede pünktlich um 10 Uhr. Schon wenige Minuten später ist die Strategie der Verwaltung klar, als der Aufsichtsratsvorsitzende sein Ziel definiert: “Nachhaltige Werte für alle Scout-24-Aktionäre zu schaffen.” In kurzfristige Optimierungen in Form von M&A-Transaktionen möchte sich dieses Management also nicht treiben lassen. Stattdessen wird den rund 150 Aktionären die Zukunft in leuchtenden Farben gemalt, die der Aufsichtsratschef in die Worte kleidet: “Ich bin begeistert von der Dynamik, in der sich unsere Gesellschaft momentan befindet.”Diese Melodie wird die Reden von Finanzvorstand Schmelzer (“wir sind ein finanziell starkes und grundsolides Unternehmen”) und von Hartmann (“das sind eindrucksvolle Zahlen und Statistiken”) bestimmen. Der Vorstandsvorsitzende allerdings legt noch eine Schippe drauf. “Wir wollen aber mehr”, verspricht er den Aktionären zum Abschluss seiner halbstündigen Rede. Der neue Geschäftsbereich Consumer Services wird wieder abgeschafft, der Konzern gestrafft, ein Aktienrückkauf läuft an, und die Produkte sollen weiterentwickelt werden. Allein die Kostensenkungen sollen die Marge stark erhöhen.Ein Heimspiel wird dieser Tag dennoch nicht, wie nicht erst die Niederlage der Verwaltung bei der Abstimmung über die Aufsichtsratsposten zeigt. Im Publikum sind die Rentner im Gegensatz zu anderen Hauptversammlungen unterrepräsentiert, und als Albrecht bekannt gibt, das Buffet sei eröffnet, wandert nur ein Dutzend Zuhörer ab. Stattdessen sind Anzugträger breit im Publikum verteilt, teils folgen sie per Kopfhörer der Simultanübersetzung ins Englische. Hartmann agiert dennoch souverän, mit klaren Aussagen und offener Art. Albrecht greift in die höchste Schublade, wenn er seinen Vorstandschef beschreibt. Er habe mehr als 20 Jahre Management-Erfahrung im E-Commerce-Geschäft, sein strategischer Instinkt und die zupackende Art hätten den Aufsichtsrat sehr beeindruckt. Für Hartmann ist das Scout24-Engagement zwar inhaltlich neu, weil er mit dem Immobilien- und Autogeschäft nicht schwerpunktmäßig zu tun hatte. Aber E-Commerce ist sein Fachgebiet. Viele StationenVor dem Wechsel zu Scout24 war der gebürtige Augsburger, der seine Karriere 1995 als Berater von Roland Berger begonnen hatte, als Vorstand und US-Chef von Hellofresh aktiv, einem Anbieter von Kochboxen (August 2017 bis November 2018). Zuvor arbeitete er für das US-Unternehmen DCT Industrial (Oktober 2016 bis August 2018) und den amerikanischen E-Commerce-Spezialisten Radial (Oktober 2015 bis Juni 2017). In seiner Berufslaufbahn war er außerdem für Ebay, D+S und Loyality Partner aktiv.