Oliver Dörre folgt auf Thomas Müller

Der neue Vorstandschef von Hensoldt setzt drei Schwerpunkte

Der alte und der neue Vorstandsvorsitzende von Hensoldt sind sich einig: Die Rüstungsindustrie hat das Image eines Schmuddelkinds verloren. Oliver Dörre hat für seine Arbeit Prioritäten.

Der neue Vorstandschef von Hensoldt setzt drei Schwerpunkte

Der neue Chef von Hensoldt
setzt drei Schwerpunkte

Von Joachim Herr, München

Thomas Müller kann eine Menge Anekdoten erzählen. Über vieles darf er aber nicht reden, obwohl er Klartext mag. Der Noch-Vorstandsvorsitzende von Hensoldt ist schließlich in einer sicherheitsrelevanten Branche tätig: der Rüstungselektronik.

Kurz vor seinem Abschied in den Ruhestand Ende März gibt er aber doch ein paar Geschichten zum Besten, die er in all den Jahren seiner Karriere erlebt hat. Zum Beispiel die, als vor etlichen Jahren ihm und den anderen Passagieren einer russischen Fluggesellschaft auf dem Weg von Ulan Bator in der Mongolei nach Moskau auf dem Frühstückstablett auch ein großes Glas mit klarer Flüssigkeit serviert wurde: aber nicht Wasser, sondern Wodka.

Beide dienten in der Luftwaffe

Sein Rückzug als Manager fällt dem 65 Jahre alten Müller offenbar nicht schwer. Er genieße es, nach 47 Jahren nun nicht mehr Verantwortung tragen zu müssen, sagt er. Die lastet jetzt auf den Schultern von Oliver Dörre (54). Er kam zu Beginn dieses Jahres zu Hensoldt in Taufkirchen am südlichen Rand von München und wird nach drei Monaten im Vorstand Vorsitzender.

Dörre sammelt seit 2010 Erfahrung in der Verteidigungsindustrie. 2015 war er von dem österreichischen Unternehmen Frequentis, das Flugsicherungssysteme und Software für Sicherheitsbehörden entwickelt, zu Thales gewechselt. In dem französischen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern war er von 2021 bis zur Berufung zu Hensoldt Vorsitzender der Geschäftsführung von Thales Deutschland.

Mit Thomas Müller teilt er eine Vergangenheit in der Luftwaffe der Bundeswehr. Dörre war dort von 1988 bis 2010 als Generalstabsoffizier tätig, zuletzt als Oberstleutnant in der Planungsabteilung des Verteidigungsministeriums. Diese Zeit und die Führungsstrukturen hätten ihn geprägt, sagt Dörre, der an der Bundeswehruniversität in München Informatik studiert hat.

Branche mit einem neuen Image

Dörre hebt die Bedeutung der Verteidigungsindustrie hervor. Jedem Mitarbeiter von Hensoldt gehe es um einen echten Beitrag zur Sicherheit. Das Image eines Schmuddelkinds ist die Branche seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 los. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz beschworene Zeitenwende zeigt Wirkung – auch an der Börse. Wie Rheinmetall und Renk eilt Hensoldt in kurzen Abständen zu immer neuen Kursrekorden.

Seit dem Börsengang im September 2020 und dem holprigen Start hat sich der Wert der für 12 Euro ausgegebenen Aktie auf etwa 43 Euro weit mehr als verdreifacht. Müller und Dörre machen den Eindruck, als verschaffe ihnen das Genugtuung. Die Lage in der Ukraine und an anderen Brennpunkten beunruhigt aber auch sie: Die Frage sei, ob der Krieg ein „ganz heißer“ werden könne, sagt Dörre. „Darauf müssen wir vorbereitet sein.“ Er betont: "In den geopolitischen Konflikten wird es vor allem um Informationsüberlegenheit gehen.“ Innovative Sensorlösungen, wie sie unter anderem Hensoldt entwickelt und produziert, würden einen entscheidenden Unterschied ausmachen. „Das sehen wir leider täglich in dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.“

Der Vater war Fußballprofi

Auch aus diesem Grund will der neue Vorstandschef Hensoldt weiterentwickeln. „Stillstand ist Rückschritt“, sagt er. Drei Schwerpunkte nimmt er sich vor: Erstens soll das Unternehmen Quantität und Qualität der Produkte steigern sowie die Lieferfähigkeit. Stärkung der „Operational Excellence“ heißt das im Managerdeutsch. So soll der Auftragsbestand von fast 6 Mrd. Euro „in profitablen Umsatz umgewandelt“ werden. Als zweiten Punkt nennt Dörre den Ausbau der internationalen Kundenbasis und Präsenz, als dritten die Digitalisierung.

Dörre wirkt selbstbewusst und entschlossen, sich mit Hensoldt im Wettbewerb durchzusetzen. Kampfgeist gab ihm schon früh sein Vater mit. Hans Dörre war in den 70er Jahren Fußballprofi, spielte mit Rot-Weiss Essen als einziger Kicker alle sieben Jahre in der Bundesliga und wird als Vereinslegende verehrt. Dass er vom Verein ein goldenes Trikot bekam, macht auch seinen Sohn stolz.

Thomas Müller (rechts) freut sich auf den Ruhestand. Oliver Dörre, der neue CEO von Hensoldt, hat klare Aufgaben im Blick.