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Hurra, Jack Ma ist wieder da

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 21.1.2021 Tech-Anleger im Reich der Mitte haben Grund zum Aufatmen. Anlass dafür ist ein 50 Sekunden langes Livestream-Video mit einer Grußbotschaft für eine Lehrerkonferenz, deren Absender niemand...

Hurra, Jack Ma ist wieder da

Von Norbert Hellmann, SchanghaiTech-Anleger im Reich der Mitte haben Grund zum Aufatmen. Anlass dafür ist ein 50 Sekunden langes Livestream-Video mit einer Grußbotschaft für eine Lehrerkonferenz, deren Absender niemand Geringeres ist als der chinesische Star-Entrepreneur Jack Ma. Der Anfang Dezember spurlos verschwundene Gründer der eng miteinander verwobenen Technologieriesen Alibaba (E-Commerce) und Ant Group (Fintech) hat ein Lebenszeichen von sich gegeben. Das allein reichte aus, um die Alibaba-Aktie als einen der weltweit marktwertschwersten Börsentitel um mehr als 8 % anzuschieben.Seit Wochen wurde darüber gerätselt, ob Ma nach dem Debakel um den geplatzten Börsengang seiner Ant Group nur freiwillig in Deckung gegangen ist oder aber durch Einwirken der chinesischen Staatsführung aus dem Verkehr gezogen wurde. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass ein der Staatsführung negativ auffallender Unternehmensfürst ohne förmliche Rechtsverfahren von der Bildfläche verschwindet. Unvorsichtige WorteDer bislang notorisch gerne in der Öffentlichkeit stehende Jack Ma ließ seit November nichts mehr von sich hören und einige Termine platzen, was eine gewaltige Spekulationswelle in Chinas sozialen Medien über seinen Verbleib und eine persönliche Gefährdung lostrat. Seit einem Besuch in seiner von Alibaba-Mitstreitern geführten Lieblingskneipe nahe am Alibaba-Hauptsitz in der Großstadt Hangzhou Anfang Dezember galt Ma als verschwunden.Am 3. November hatten Chinas Finanzregulatoren den potenziell weltgrößten und bei Investoren bereits platzierten Börsengang der Ant Group zwei Tage vor dem geplanten Handelsstart abblasen lassen. Zuvor war Ma auf einem Finanzkongress in Schanghai mit einem denkwürdigen Redeauftritt aufgefallen. Dabei kritisierte er Mängel des chinesischen Finanzsystems sowie die Schwerfälligkeit der tradierten staatlichen Großbanken, warf zudem heimischen Finanzaufsehern mangelndes Verständnis für eine zeitgemäße Regulierung von Fintech-Adressen vor. Für chinesische Verhältnisse ein ziemlicher Affront.Mas Brandrede hat sich denn auch als kapitaler Bumerang erwiesen und nicht nur Chinas Finanzregulatoren-Gemeinde, sondern wohl auch die Parteiführung gegen ihn aufgebracht. Gerade weil Ma nicht nur zu den reichsten, sondern auch zu den am stärksten bewunderten Personen in China gehört, scheint es Peking ein besonderes Anliegen gewesen zu sein, ihm einen kräftigen Dämpfer zu verpassen. Bei Ant Group sind nicht nur die Börsenpläne zerschossen worden, vielmehr steht nun das gesamte Geschäftsmodell wegen des Vorwurfs monopolistischer Praktiken und der Verursachung von Finanzsystemrisiken auf der Kippe. Parallel läuft eine wettbewerbsrechtliche Kampagne gegen Alibaba im Besonderen und andere chinesische Techkonzerne im Allgemeinen.Wie Sprecher der Ant Group und der Jack Ma Foundation nun betonen, hat der Videoauftritt von Ma tatsächlich am Mittwoch stattgefunden. So erfolgte die virtuelle Teilnahme an einer Wohltätigkeitsveranstaltung zur Förderung von Schullehrern in unterprivilegierten ländlichen Gegenden Chinas, der Ma in den Vorjahren allerdings stets persönlich beiwohnte. Dass dies diesmal nicht der Fall war, bezeichnet Ma als Vorsichtsmaßnahme wegen Corona.Die Erleichterung gilt wohl der Überzeugung, dass Ma wohlauf ist, noch in China weilt und keine weiteren Repressalien von Regierung und Behörden mehr zu befürchten hat. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Peking keine breitere Kampagne gegen besonders erfolgreiche private Techfirmen führt. Es gibt auch skeptischere Stimmen. Sie bezweifeln, dass die Videobotschaft ein Beweis für eine Absolution von Ma seitens der Behörden ist, zumal nicht erkennbar ist, wo er sich befindet. Exil in SingapurTatsächlich kursieren in Singapurer Kreisen möglicherweise ernst zu nehmende Gerüchte, dass sich Ma vor einigen Wochen in den chinesisch geprägten, aber von China gänzlich unabhängigen südostasiatischen Stadtstaat abgesetzt hat, und zwar im Rahmen einer Flucht auf dem Seeweg via Hongkong. Singapur als Tummelplatz für asiatische Milliardäre könnte dieser Version zufolge Ma temporär eine Art Exil bieten und vor einer persönlich ausgerichteten Kampagne schützen. Um solche Gerüchte auszuräumen, bedarf es einer nachweisbaren Präsenz von Ma in China. Vielleicht taucht er ja doch bald wieder in der Stammkneipe in Hangzhou auf.