Italienerin leitet OHB in herausfordernder Zeit
Italienerin leitet OHB in herausfordernder Zeit
Raumfahrtkonzern OHB
Chiara Pedersoli hat Schlüsselrolle bei OHB
Für den Bremer Raumfahrtkonzern ist Italien der zweite Heimatmarkt
Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand
Chiara Pedersoli (51) leitet seit Anfang 2024 als CEO die OHB System AG, die bei weitem umsatzstärkste Tochter des börsennotierten Technologie- und Raumfahrtkonzerns OHB SE. Sie hat damit eine Schlüsselrolle in dem Konzern. Die Holding OHB SE wird zu 65,4% von der Familie deren CEOs Marco Fuchs kontrolliert. 28,5% hält KKR. OHB kam im ersten Halbjahr 2025 bei einem Umsatz von 537 Mill. Euro auf einen Nettogewinn von 11,9 Mill. Euro. Der Konzern hat etwa 3.500 Mitarbeiter an 15 Standorten in Europa, den USA und in Chile.
Die in Desenzano am Gardasee geborene Managerin ist nicht die einzige Italienerin im Unternehmen. Mit Gianaldo Mantovani sitzt ein weiterer Italiener im Vorstand. Und auch der 2014 verstorbene Firmengründer Manfred Fuchs hatte als Südtiroler einen italienischen Pass, ebenso wie sein Sohn Marco, der auch italienischer Honorarkonsul in Bremen ist. Mit der 2009 übernommenen früheren Carlo Gavazzi Space (heute OHB Italia) in Mailand, die inzwischen „Ableger“ in Turin und Rom hat und im Bel Paese 400 Mitarbeiter beschäftigt, ist Italien für die OHB ein zweiter Heimatmarkt.
Pedersoli hat am Mailänder Polytechnikum Luft- und Raumfahrtingenieurwesen studiert. Nach einer Master-Arbeit bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt ist sie in Deutschland „hängen geblieben“. Sie macht sich Sorgen. Denn die OHB, die dank ihrer Expertise vor allem im Bereich kleinerer Satelliten aus einem Fünf-Mann-Betrieb zu einem der führenden Raumfahrt-Unternehmen in Europa aufgestiegen ist, sei bedroht. „Mit der geplanten Satelliten-Allianz zwischen Thales, Airbus und Leonardo wird es schwierig für uns“, sagte sie der Börsen-Zeitung am Rande des ersten deutsch-italienischen Luft- und Raumfahrtforums in Rom. „Wir müssen kämpfen.“ OHB fürchtet ein Quasi-Monopol des neuen Bündnisses in Europa: Thales werde womöglich die Zusammenarbeit mit der OHB in europäischen ESA-Raumfahrtprogrammen einstellen.
Das wäre eine große Gefahr für die OHB. Nach Projekten wie Meteosat, SAR-Lupe, Galileo und anderen bekam OHB erst im Juni den Zuschlag als Hauptauftragnehmer für den Bau der ESA-Wissenschaftsmission LISA – ein Vertrag mit einem Volumen von 839 Mill. Euro. Das ist eine Konstellation aus drei Raumsonden, die unser Universum durch die Erforschung von Gravitationswellen neu erschließen und 2035 starten soll. Als Partner ist Thales Alenia Space, ein Joint Venture aus Thales und der italienischen Leonardo, an Bord. „Wir haben bewiesen, dass wir komplexe Systeme beherrschen“, sagt Pedersoli, die zwischen dem OHB-Standort in Oberpfaffenhofen (früher Kaiser-Threde) und dem OHB-Sitz in Bremen und privat in München lebt. Bevor sie vor 15 Jahren zu OHB kam, arbeitete sie für die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR), Eumetsat, die ESA und Airbus. Schon mit sechs Jahren wusste sie, dass sie in die Raumfahrtbranche will. Und sie setzte sich in der Männer-Domäne durch. Das spricht für Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit.
Deutlich mehr Frauen
Pedersoli ist übrigens längst nicht die einzige Ingenieurin bei OHB. Den Frauenanteil im Unternehmen in diesem Bereich gibt sie mit 17% an. Und auch am Mailänder Polytechnikum, als man Frauen zu Zeiten ihres Studiums noch mit der Lupe suchen musste, studieren heute deutlich mehr Frauen.
