Jacques Delors verstorben
Jacques Delors †
fed Frankfurt
Es gibt Kommissionspräsidenten, deren Namen heute nur noch wenige kennen, beispielsweise Roy Jenkins oder Gaston Thorn, und selbst Romano Prodi oder Jose Manuel Barroso geraten langsam in Vergessenheit. Ganz anders Jacques Delors. Der Franzose wird – völlig zu Recht – in einem Atemzug genannt mit den "großen Europäern", mit Robert Schuman, Jean Monnet oder Altiero Spinelli. Denn Delors gilt wahlweise als Wiederbeleber der europäischen Integration, als Architekt des Binnenmarkts, als Anwalt der Freizügigkeit oder auch als Mitvorbereiter des Euro.
Der Katholik Delors schloss sich in seiner Jugend der christlichen Arbeiterjugend an und studierte Rechtswissenschaften und politische Ökonomie. Als er, Mitglied der Sozialistischen Partei, nach seiner Tätigkeit zunächst als französischer Notenbankmitarbeiter, dann als Europaabgeordneter und dort als Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses, anschließend als Bürgermeister von Clichy und später als französischer Finanz- und Wirtschaftsminister im Jahr 1985 das Amt als EU-Kommissionschef übernahm, stotterte der Integrationsmotor gewaltig. Von "Eurosklerose" war die Rede, von "Europamüdigkeit".
Mit ambitionierten strategischen Entwürfen gelang es Delors, während seiner zehnjährigen Amtszeit an der Spitze der EU-Behörde die Arbeiten am Binnenmarkt voranzutreiben und das Schengen-Abkommen mit Leben zu erfüllen. Die Einheitliche Europäische Akte trug maßgeblich dazu bei, dass viele steuerliche Schranken ebenso wie unzählige nicht-tariffäre Handelshemmnisse im Waren- und Dienstleistungsverkehr fielen. Und ohne seinen Drei-Stufen-Plan zur Wirtschafts- und Währungsunion, den "Delors-Bericht", wäre der Vertrag von Maastricht aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zustande gekommen. Jacques Delors ist am Mittwoch im Alter von 98 Jahren in Paris gestorben.