Großbritannien

Kandidaten für Johnsons Amt laufen sich warm

Noch nicht alle haben ihre Kandidatur erklärt. Doch zeichnet sich bereits ab, welche Namen das Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson als Premierminister Großbritanniens bestimmen werden.

Kandidaten für Johnsons Amt laufen sich warm

Von Andreas Hippin, London

Im Kampf um die Führung der britischen Konservativen gehört zu den ungeschriebenen Gesetzen, dass derjenige, der den bisherigen Parteichef zu Fall gebracht hat, seine Nachfolge nicht antreten wird. Sajid Javid (52) hat es auf sich genommen, den Zerfall des Kabinetts von Boris Johnson durch seinen Rücktritt einzuleiten. Der ehemalige Gesundheitsminister scheidet also aus.

Bei den Buchmachern liegt Javid noch hinter Außenministerin Liz Truss (46), der die britische Presse zuspricht, „einen guten Krieg ge­habt“ zu haben – gemeint ist ihr kompromissloses Auftreten bei der Unterstützung der Ukraine gegen Russland. Auch Verteidigungsminister Ben Wallace (52) hat die Invasion der Ukraine Sympathien verschafft. Bei einer vom „Spectator“ veröffentlichten Liste der Top 10, die sich daran orientiert, was Wettbüros zu zahlen bereit sind, rangiert er noch vor Truss. In einer Yougov-Umfrage unter Tory-Mitgliedern liegt er vorn.

Ex-Schatzkanzler Sunak vorn

Der ehemalige Schatzkanzler Rishi Sunak (42), dem Javid vermutlich nicht ganz selbstlos den Weg bereitet hat, liegt bei manchen Buchmachern ganz vorn. Der Hoffnungsträger der Tories zählt den ehemaligen Außenminister William Hague zu seinen Mentoren in der Partei. Der Vater zweier Töchter studierte Philosophie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften am Lincoln College in Oxford und schob mit Hilfe eines Fulbright-Stipendiums an der Stanford University einen MBA nach. In Kalifornien begegnete er seiner Frau Akshata. Sie ist die Tochter von Nagavara Ramarao Narayana Murthy, dem Mitgründer des IT-Dienstleisters Infosys. Das brachte ihm in Großbritannien Spitznamen wie „Rishi Rich“ ein. Eine bösartige Kampagne gegen seine Frau, die mancherorts Johnsons Spindoktoren zugeschrieben wird, dämpfte zuletzt seine Beliebtheit. Es ging dabei um ihren „Non-Dom“-Steuerstatus, der ihr ermöglicht, ausländisches Einkommen im Ausland zu versteuern.

Die Generalstaatsanwältin Suella Braverman (42) ist dagegen noch gar nicht auf dem Radar der Wettbüros, weil sie ihr Interesse eben erst bekundet hat. Ihre Eltern stammen aus Mauritius und Kenia. Sie beschrieb sich deshalb einmal als „Kind des britischen Empires“. Sie war ein Jahr mit dem Erasmus-Programm in Frankreich, bevor sie an der Pariser Universität Panthéon-Sorbonne einen Masterabschluss in europäischem und französischem Recht erwarb. Die Cambridge-Absolventin gehört zu den Hardlinern in der Partei, sowohl wenn es um das Thema Nordirland-Protokoll geht als auch bei der Deportation von Zuwanderungswilligen nach Ruanda.

Handelsministerin Penny Mordaunt (49) werden ähnlich gute Chancen zugeschrieben wie Wallace und Justizminister Dominic Raab (48), der sich allerdings Medienberichten zufolge selbst aus dem Rennen genommen hat. Sie stammt aus einer Navy-Familie in Portsmouth, besuchte eine katholische Schule und war das erste Familienmitglied, das eine Universität besuchte. An der Parteibasis erfreut sie sich großer Beliebtheit. Der ehemalige Ge­sund­heitsminister Jeremy Hunt (55), der das parteiinterne Misstrauensvotum gegen Johnson mit angestoßen hatte, ist zwar noch auf der Liste des „Spectator“ zu finden, aber erst hinter dem Brexiteer Steve Baker (51).

Es ist ein langer Prozess. Um nominiert zu werden, muss ein Abgeordneter die Unterstützung von acht weiteren Mandatsträgern vorweisen. Dann wird so lange abgestimmt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Schließlich stimmen die Mitglieder ab, wer die Partei führen soll.