Rücktritte

Kehraus im Adler-Verwaltungsrat

Bei der Adler Group haben alle Verwaltungsräte, die 2021 im Amt waren, aufgrund des versagten Testats ihren Rücktritt angeboten. Der neue Chef des Gremiums Stefan Kirsten hält das für „absolut richtig“.

Kehraus im Adler-Verwaltungsrat

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Bei der schwer angeschlagenen Adler Group haben am Wochenende die beiden Co-CEOs und alle anderen Verwaltungsräte, die 2021 im Amt waren, mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt angeboten. Der Schritt wurde fällig, weil der Wirtschaftsprüfer KPMG Luxembourg dem Wohnimmobilienkonzern das Testat für den Jahresabschluss 2021 versagt hat. Da das Unternehmen aber eine funktionierende Führungsspitze braucht, werden einige Verwaltungsräte zumindest vorerst weitermachen.

Das kollektive Rücktrittsangebot sei „absolut richtig“, sagt der neue Chef des Gremiums Stefan Kirsten, mehr denn je der starke Mann bei Adler. Der frühere Finanzvorstand von Thyssenkrupp und Vonovia hatte Mitte Februar die Leitung des Verwaltungsrats übernommen. Als in Luxemburg ansässiges Unternehmen hat Adler Group, anders als deutsche Aktiengesellschaften, eine einstufige Leitungsstruktur.

„Im Sinne der Kontinuität des Business“ sollen Thilo Schmid und Thomas Zinnöcker bis zur Hauptversammlung am 29. Juni weitermachen. Gleiches gilt für den bisherigen Co-CEO und jetzigen CEO Thierry Beaudemoulin. Fürs Erste schrumpft der Verwaltungsrat von bisher acht auf vier Mitglieder. Das Quartett werde auf der Hauptversammlung um Entlastung bitten und sich der Wiederwahl stellen, kündigt Kirsten an. Künftig werde der Verwaltungsrat fünf Mitglieder umfassen.

Suche nach CFO

Schmid und Zinnöcker seien erfahrene Manager, „die uns bei der Neuausrichtung der Adler-Gruppe unterstützen werden“, sagt Kirsten. Schmid leitet den wichtigen Prüfungsausschuss, Zinnöcker den Investitions- und Finanzausschuss. Beide sitzen seit Oktober 2020 im Verwaltungsrat. Schmid muss sich nun federführend darum kümmern, die Testatshindernisse aus dem Weg zu räumen. Er ist seit 2008 als Investment Manager beim Schweizer Family Office Wecken für Venture-Capital- und Immobilieninvestitionen verantwortlich. In früheren Funktionen arbeitete er als Immobilien-Projektcontroller. Zinnöcker, studierter Betriebswirt, war unter anderem CEO von GSW Immobilien und von Gagfah, die einst eigenständige börsennotierte Unternehmen waren und heute zum Marktführer Vonovia gehören.

Auf der Managementebene bleiben neben Beaudemoulin, Jahrgang 1971, der Chef Legal Officer Sven-Christian Frank und der für das Projektentwicklungsgeschäft verantwortliche Bernd Schade, der Anfang November 2021 zu Adler gestoßen war, an Bord.

Zu Kirstens vordringlichen Aufgaben gehört nun die Suche nach einem neuen CFO, der vor der Herausforderung stehen wird, das komplett verloren gegangene Vertrauen unter Investoren wieder aufzubauen. Gespräche mit einem erfahrenen Interims-CFO liefen bereits, sagt der Verwaltungsratschef.

Zudem soll die Compliance-Funktion unter Frank mit externer Hilfe ausgebaut werden. Kirsten will dafür eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an Bord holen.

Beaudemoulin kam im Zuge der im Dezember 2019 eingefädelten Fusion der Wohnungskonzerne Ado Properties und Adler Real Estate und der Übernahme des Projektentwicklers Consus zur heutigen Adler Group. Zuvor leitete er von März 2006 bis Oktober 2019 das Deutschlandgeschäft des französischen Immobilienkonzerns Covivio. Seinen Verbleib bei Adler rechtfertigt Kirsten mit dem Hinweis, dass er die Immobilienverkäufe der letzten Monate sehr gut gemanagt habe.

Rienecker scheidet aus

Ihren Hut nehmen die Verwaltungsräte Maximilian Rienecker, Peter Maser, Claus Jørgensen und Arzu Akkemik. Naheliegend erscheinen vor allem die Abtritte des für Finanzen zuständigen Co-CEOs Rienecker und des ehemaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Maser.

Der gebürtige Hamburger Rienecker, Jahrgang 1985, arbeitet bereits seit fünf Jahren für die Adler-Gruppe. Seit Dezember 2017 leitet er die heutige Tochtergesellschaft Adler Real Estate, überwiegend als Co-CEO. Zuvor war er als Finanzanalyst für ein Multi-Family-Office in Großbritannien tätig. Zwischen 2008 und 2013 arbeitete er im Bankgeschäft als Sales & Marketing Manager bei ING Investment in Hongkong und im Bereich Corporate Strategy und M&A von SBM Offshore. Im Februar 2017 kam Rienecker zu Adler Real Estate als Leiter Corporate Finance und Strategie.

Maser, der von Dezember 2019 bis Februar 2022 an der Spitze des Verwaltungsrats stand und dann als Stellvertreter Kirstens weitermachte, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob er entschieden genug gegen die im Sonderprüfungsbericht beschriebenen Governance- und Compliance-Probleme vorgegangen ist. Der Rechtsanwalt arbeitet seit 2003 als Partner von Deloitte Legal. Seine Beratungsschwerpunkte liegen laut Angaben auf der Homepage in den Bereichen Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Gesellschaftsrecht einschließlich M&A sowie Compli­ance. Maser wird in der Mitteilung mit den Worten zitiert, der Verwaltungsrat wolle mit seinem kollektiven Rücktritt einen Neuanfang der Adler-Gruppe ermöglichen.

Der Bondhändler Jørgensen stand zuletzt im Fokus, als Bloomberg im April unter Berufung auf informierte Kreise meldete, dass er bei der japanischen Mizuho Financial Group, bei der er 2019 als Chef des Credit-Handelsbereichs für Europa, den Nahen Osten und Afrika angefangen hatte, offenbar seinen Hut nehmen musste. Jørgensens Team habe mehrfach Anleihen angeboten, die mit Adler-Firmen in Zusammenhang stehen.

Michael Bütter, der frühere Leiter des Prüfungsausschusses, war be­reits Ende Januar aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten. Seine Mandatsniederlegung wurde mit möglichen Interessenkonflikten begründet, weil Bütter zusätzliche Aufgaben in der regulierten Immobiliensparte der Fondsgesellschaft Union Investment übernommen habe.

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