„Klassensprecher“ der Sparkassen
„Klassensprecher“ der Sparkassen
„Klassensprecher“ der Sparkassen
Von Annette Becker, Köln
Bei Deutschlands größter kommunaler Sparkasse geht zum Jahreswechsel eine Ära zu Ende: Alexander Wüerst, der die Geschicke der Kreissparkasse Köln seit fast 20 Jahren als Vorstandsvorsitzender lenkt, verabschiedet sich in den Ruhestand. Aus diesem Grund gab es am Donnerstag in Köln ein großes Stelldichein mit über 800 Gästen. Die Abschiedsfeier fand im „Gürzenich“ statt, einer über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Festhalle, in der alljährlich die großen Karnevalssitzungen stattfinden – mehr Lokalkolorit geht für eine Sparkasse aus dem Rheinland nicht, zumal ihr Vorstandsvorsitzender ein bekennender Karnevalist ist.
Die Gäste waren aus der gesamten Republik angereist, um das „Sparkassenidol“, wie es Frank Rock, Landrat für den Rhein-Erft-Kreis und Verwaltungsratsvorsitzender formulierte, zu verabschieden. Wüerst hat sein gesamtes Berufsleben bei der Kreissparkasse Köln verbracht, in deren Dienste er 1981 mit der Ausbildung zum Bankkaufmann eingetreten war. Damals, erinnert sich der 64-Jährige, hätten die Kunden noch Angst vor dem Kontoauszugsdrucker gehabt. Zu seinen Aufgaben gehörte es, morgens die Kontoauszüge auszusortieren, um sie den Kunden später persönlich zu überreichen.
WestLB nur eine Episode
Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute werden 80% der Kundenkonten online geführt. Wüerst bedauert das nicht, auch wenn es herausfordernd und bisweilen auch unschön war, mit den rasanten Veränderungen Schritt zu halten. So musste er 2013 die Entscheidung fällen, 43 Kleinstfilialen zu schließen und durch mobile Geschäftsstellen, sprich: den Sparkassenbus, zu ersetzen. Die vor Ort Beschäftigten und die Kunden von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen, war sicher nicht einfach.
Doch Wüerst ist stets um fairen Ausgleich bemüht, auch wenn es Dinge gibt, bei denen er nicht mit sich reden lässt. Beispielsweise als es um die heruntergewirtschaftete WestLB ging, für die Land und Sparkassen als Eigentümer eine Lösung finden mussten. „Für uns war es wichtig, dass es nicht zur politisch gewünschten Vertikalisierung kommt“, sagt Wüerst rückblickend. Der Druck war seinerzeit enorm, fühlten sich die NRW-Sparkassen doch vom Rest der Gruppe im Stich gelassen. Dass die Sparkassen am Ende dank der wertschonenden Abwicklung über die Erste Abwicklungsanstalt mit einem blauen Auge davonkamen, passt letztlich aber auch zur rheinischen Lebenshaltung, die Wüerst verkörpert – et hätt noch emmer joot jejange.
Das mag auch der Grund sein, warum die Causa WestLB in der Rückschau für Wüerst zu einer Episode verkümmert ist. Ganz anders sieht es mit der Niedrig- und Negativzinsphase aus, die dem Banker bis heute in den Knochen steckt. „Ein guter Seemann wird man zwar nicht auf ruhiger See, aber ein bisschen weniger raue See hätte es schon sein dürfen“, erinnert sich der Beinahe-Rentner.
Brückenbauer
Mit dem Kopf durch die Wand war und ist Wüersts Sache nie gewesen. Im Gegenteil: Er gilt als ausgesprochener Brückenbauer. So dankte Sparkassenpräsident Ulrich Reuter denn auch im Namen der gesamten Sparkassen-Finanzgruppe „für die Leidenschaft, die Klarheit und den unerschütterlichen Einsatz für die Sparkassenidee“.
In der Sparkassenorganisation hat seine Stimme Gewicht, nicht nur wegen der Größe seines Hauses. Seit 2008 und damit fast ebenso lange, wie er an der Spitze der Kreisparkasse steht, ist Wüerst Landesobmann der rheinischen Sparkassen, seit 2018 zusätzlich stellvertretender Bundesobmann. Im Wording seiner Enkelkinder ist Opa damit „Klassensprecher der Sparkassen“. Daneben sitzt Wüerst im Vorstand des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands, gehört dem Präsidialausschuss des DSGV an, leitet den Aufsichtsrat der Deutschen Leasing und ist Verwaltungsratsmitglied der Deka.
Die Macht der Bilanzsumme
Welche Bedeutung der Bilanzsumme einer Sparkasse bis heute zukommt, lässt sich aber nicht nur an der Zahl der Mandate in der Dachorganisation ablesen. Vielmehr spielt die Größe vor allem im Kreis der Sparkassenträger eine herausragende Rolle: „Während Ihrer Ära ist die Kreissparkasse zur größten kommunalen Sparkasse geworden“, strich Landrat Rock heraus und erinnerte damit beiläufig an die offenbar noch immer währende Rivalität mit der benachbarten Sparkasse KölnBonn. Doch das Streben nach Größe hat auch eine Kehrseite: Als erste kommunale Sparkasse wird die Kreissparkasse unter die Obhut der EZB gestellt. Wüerst fühlt sein Haus dafür bestens vorbereitet.
