Neuer Portfoliozuschnitt

López’ erster Aufschlag

Wie seine Vorgängerin Martina Merz drückt der seit 1. Juni amtierende Thyssen-Chef Miguel López mit einem Neuzuschnitt des Portfolios dem Konzern seinen Stempel auf.

López’ erster Aufschlag

Thyssen-Chef López füllt
alten Wein in neue Schläuche

Von Annette Becker, Frankfurt

Seit gut 100 Tagen sitzt Miguel López an der Vorstandsspitze von Thyssenkrupp. Zeit also, um mit dem Portfolioumbau zu beginnen. Keine leichte Aufgabe nach Jahren des Um- und Stellenabbaus.

Doch wer sich erhofft hatte, dass der Deutsch-Spanier mit Konkretem zur geplanten Verselbständigung der Stahlsparte oder des Marineschiffbaus aufwartet, sieht sich getäuscht. Wenngleich der Aufsichtsrat dem vorgeschlagenen Portfolioumbau zustimmte, bleiben die großen Umbrüche aus. Aus bislang sechs Segmenten werden fünf, wobei zwei Divisionen neu zugeschnitten werden. Auch López’ Vorgängerin Martina Merz hatte die Restrukturierung des Konzerns im Mai 2020 mit einem Portfolioumbau begonnen. Dieser wird nun in Teilen zurückgedreht.

Grüne Transformation

Allerdings nicht, weil Merz falsche Entscheidungen getroffen hätte, sondern weil sich das Geschäftsumfeld geändert hat und der Klimawende inzwischen deutlich mehr Bedeutung beigemessen wird. Entsprechend bündelt López die Geschäfte, die Technologien und Produkte für die grüne Transformation im Sortiment haben, unter einem Dach. Damit bekommen die 2020 aussortierten Anlagenbauer Uhde (Chemie) und Polysius (Zement) wieder eine Bleibeperspektive im Konzern.

Mit dem Börsengang von Thyssenkrupp Nucera, dem Anbieter von Elektrolyseanlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff, hat der Traditionskonzern in diesem Jahr vorgemacht, wie sich mehr "grüne" Sichtbarkeit monetarisieren lässt. Zugeschlagen wird dem neuen Segment Decarbon Technologies auch noch das Geschäft mit Großwälzlagern (Bearings), die unter anderem in Windrädern verbaut werden. Um die Leitung der neuen Division kümmert sich der Chef höchstselbst.

Performance-Programm

Begleitet wird der Portfolioumbau von einem Performance-Programm, mit dem die internationale Wettbewerbsfähigkeit praktisch aller Geschäfte wiederhergestellt werden soll. López betont, dass dieses Programm "umfassend" sein wird. Zugleich erstreckt es sich laut Pressemitteilung vor allem auf die beiden in Decarbon Technologies angesiedelten Anlagenbauer. Angaben zu erwarteten Einsparungen oder damit verbundenen Kosten fehlen – entweder stehen diese noch nicht fest oder sind umstritten.

Applaus bleibt aus

Zupackend und pragmatisch sind die Eigenschaften, die dem langjährigen Siemens-Manager nachgesagt werden. Das muss er nun unter Beweis stellen. Schlagworte wie "Grünes Industrie-Powerhouse" reichen jedenfalls nicht, um Zweifel am Sinn des Neuzuschnitts der Segmente zu beseitigen. Von der Börse gab es jedenfalls keinen Applaus.

Dass auf López Kärrnerarbeit wartet, war von Beginn an klar. Doch die vom Kapitalmarkt erwarteten großen Portfolioschritte lassen auf sich warten. Erschwerend kommt hinzu, dass der 58-Jährige an die von seiner Vorgängerin ausgegebenen Renditeziele gebunden ist.