Salesforce-CEO sucht Nähe zu Trump

Marc Benioffs radikale Wende

Marc Benioff stilisiert sich gerne zum großherzigen Wohltäter San Franciscos. Doch weil der Salesforce-CEO sich Donald Trump annähert, droht sich die Stadt gegen ihn zu wenden.

Marc Benioffs radikale Wende

Salesforce-CEO Marc Benioff legt radikale Wende hin

Von Alex Wehnert, San Francisco

Über seine politischen Positionen will Marc Benioff zumindest in der abgelaufenen Woche den Mantel des Schweigens breiten. „Ich möchte meine Kommentare heute auf die `Dreamforce` beschränken“, bügelt der Salesforce-CEO im Rahmen der Kundenkonferenz des Software-Riesen Journalistenfragen zu seiner Unterstützung für US-Präsident Donald Trump ab. Im Vorfeld der „Dreamforce“ sorgte Benioff für einen Aufschrei der Empörung, als er in einem Interview einen Einsatz der Nationalgarde in San Francisco forderte.

Streit um Nationalgarde

Trump hat die Truppen in den vergangenen Monaten in demokratisch kontrollierte Städte wie Los Angeles und Washington, D.C. geschickt und die Entsendung in weitere Metropolen wie Chicago geplant – angeblich, um eine Eskalation gewalttätiger Straftaten zu stoppen. Gegner wie J.B. Pritzker, Gouverneur von Illinois, werfen dem Republikaner dagegen vor, aus politischem Opportunismus Probleme herbei zu fantasieren.

San Francisco mag in den vergangenen Jahren eine Fentanylkrise durchlaufen haben, die Rate der Gewaltverbrechen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ist zuletzt allerdings um zweistellige Prozentwerte gefallen und liegt nahe an historischen Tiefs. In der Innenstadt sind derzeit auch nicht mehr Obdachlose zu beobachten als in republikanisch kontrollierten Großstädten wie Dallas. Der Büromarkt beginnt gerade, sich vom großen Leerstand der Vorjahre zu erholen.

Ruf als großherziger Wohltäter

Doch Benioff steigt auf Trumps Narrativ vom Verfall der öffentlichen Sicherheit ein. Während der „Dreamforce“ bezahlte sein Unternehmen 200 außer Dienst befindliche Polizisten für Security-Dienste. Wiederholt ruft der CEO Besuchern der Messe zu, sie hätten ja hoffentlich eine „sichere Zeit“ in der Golden Gate City. Gerade Benioffs Nationalgarden-Äußerungen stellen eine radikale Wende dar, nachdem sich der Salesforce-Chef über Jahre als großherziger Wohltäter San Franciscos positioniert hatte.

Statt wie andere Tech-Gründer in Raumfahrt zu investieren oder sich Yachten zuzulegen, betonte der gerne ganz in schwarz gekleidete CEO immer wieder, seiner Heimatstadt etwas zurückgeben zu wollen. Sein Unternehmen bezeichnet sich gerne als größten privaten Arbeitgeber der Stadt an der Bucht, und Benioff hat sich zu einem führenden Philanthropen des Silicon Valley stilisiert. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand mehr Leute eingestellt hat, mehr Geld gegeben hat oder mehr getan hat, um San Francisco zu unterstützen, als ich“, sagte Benioff jüngst der „New York Times“.

Milliarden-Investition angekündigt

Diese Unterstützung lässt er nicht abreißen: Salesforce kündigte anlässlich der „Dreamforce“ an, über die kommenden fünf Jahre 15 Mrd. Dollar in die Stadt investieren und damit ihren Status als global führenden KI-Standort untermauern zu wollen. Die Mittel sollen unter anderem in einen neuen Unternehmensinkubator sowie Programme zur Weiterbildung der Arbeitsbevölkerung fließen und ansässigen Firmen helfen, sich in „Agentic Enterprises“ zu wandeln.

Letzterer Terminus steht im Kontext der als nächsten großen Vision Benioffs propagierten Plattform „Agentforce 360“, deren globalen Launch Salesforce im Rahmen ihrer Hauskonferenz ankündigte. Die leistungsfähigere Version der 2024 lancierten „Agentforce“-Anwendung enthält neue Möglichkeiten, KI-Agenten zu bauen und zu instruieren. Sie sollen Unternehmen helfen, redundante Geschäftsprozesse stärker zu automatisieren, Personalkapazitäten für komplexere Aufgaben freizusetzen und so hohe Effizienzgewinne ermöglichen.

Investoren zweifeln an Aussichten

Salesforce rechnet damit, dass die rapide Einbindung von KI-Funktionen in all ihre Cloud-Dienste den jährlichen Umsatz bis in Geschäftsjahr 2030 auf über 60 Mrd. Dollar treiben wird. Mit der Prognose übertraf der Software-Riese in der abgelaufenen Woche die Erwartungen der Wall Street. Doch die Salesforce-Aktie, im laufenden Jahr einer der großen Underperformer im Big-Tech-Segment, kann sich trotz einiger Intraday-Sprünge im Rahmen der „Dreamforce“ bisher nicht aus ihrem Abwärtstrend der vergangenen Monate befreien.

Die Adoptionsrate, die „Agentforce“ über das vergangene Jahr hinweg unter den Bestandskunden des Software-Riesen erreicht hat, überzeugt Investoren noch nicht. Der einstige Oracle-Manager Benioff, der Salesforce 1999 aus seiner Wohnung in San Francisco gründete, spricht gegenüber Journalisten dennoch vom „am schnellsten wachsenden Produkt der Unternehmensgeschichte“. Der 61-Jährige, dessen Vermögen sich zu bedeutenden Teilen aus Beteiligungen an Salesforce speist, will das erhoffte Wachstum seiner Firma auch weiterhin für sein philanthropisches Engagement nutzen, in dessen Rahmen er Multimillionen-Summen an Krankenhäuser, Schulen und andere Einrichtungen in der Bay Area spendet.

Ton wird rauer

Doch bei aller Wohltätigkeit ist sein Ton rauer geworden. Kritisierte Benioff andere Tech-Köpfe in der Vergangenheit dafür, „ihr Geld zu horten“, statt den Obdachlosen in San Francisco zu helfen, beschwert er sich heute in aus seinen Privatjets geführten Telefoninterviews über die Lage in der Stadt. Lokale Politiker gehen jedenfalls gegen Benioffs Rufe nach dem Einsatz der Nationalgarde auf die Barrikaden. San Francisco zu unterstützen und zugleich eine „Invasion“ der City zu fordern, lasse sich nicht in Einklang bringen, schimpfte zum Beispiel der demokratische Stadtverordnete Matt Haney.

Der Venture-Investor Ron Conway trat in Protest gegen Benioffs Äußerungen aus dem Beirat der Salesforce-Stiftung zurück. Der Salesforce-CEO, der seit der Corona-Pandemie hauptsächlich auf Hawaii lebt, steckt damit in einem Spannungsfeld. Denn wie andere Tech-Köpfe ist er offenbar der Meinung, dass eine Annäherung an Trump für sein Unternehmen der vielversprechendste Kurs ist. Doch die Stadt, die er noch immer sein Zuhause nennt, droht sich gegen ihn zu wenden.