Marchionnes Stern verblasst
Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandSergio Marchionne hat im Alter von 65 Jahren – davon 14 Jahre an der Spitze des italienischen Autobauers Fiat und später dann der FCA Group – nur noch einen Wunsch: den 2014 erstellten Geschäftsplan zu Ende zu führen. Dieser soll bis 2018 umgesetzt sein und konzentriert sich auf einen weitgehenden Schuldenabbau sowie eine Konzentration des Produktportfolios. Mit beiden Vorhaben ist Marchionne recht weit gekommen. Doch sein Ziel, einen Partner für Fiat Chrysler zu finden, hat der erfolgsverwöhnte Manager bislang nicht erreicht. Nun scheinen ihm ausgerechnet die Chinesen einen Strich durch die Rechnung zu machen und seinen Rückzug möglicherweise zu beschleunigen. Denn Marchionne wollte sich ursprünglich erst im Jahr 2019 von FCA verabschieden. Bei Ferrari wird der italokanadische Manager noch bis 2022 als Präsident bleiben.Als Verdienst von Marchionne, der in Toronto Philosophie, Betriebs- und Rechtswissenschaften studierte, gilt, dass er den Turiner Fiat-Konzern vor dem Untergang bewahrte. Als exzellenter Verhandlungstaktiker gelang es ihm aus dem vom ehemaligen Präsidenten Paolo Fresco mit GM geschlossenen Kooperationsabkommen Kapital zu schlagen: 2 Mrd. Euro musste GM zahlen, nachdem die Amerikaner die mit Fiat geschlossenen Verträge auflösten. Mit diesen Mitteln begann Marchionne nicht nur, Fiat zu sanieren. Ein weiterer, exzellenter Schachzug war es, den angeschlagenen Chrysler-Konzern mit relativ wenigen Mitteln zu übernehmen und Fiat Chrysler zum siebtgrößten Autokonzern der Welt zu machen. Pokerspieler im PulliMit diesen zwei Erfolgen avancierte er zu einer Ikone der Autoindustrie. Seine Stilentscheidung, sich auf dem internationalen Parkett im schwarzen Pulli, ohne Sakko und Krawatte zu bewegen, machte Schule. Pokerspielen (er ist ein passionierter Kartenspieler) wurde dank ihm auch in höheren Kreisen salonfähiger. Politiker jeden Lagers wollten ihn zum Verbündeten. Zuletzt hat ihm sogar Roms Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi angetragen, die Leitung der von ihm gegründeten Partei Forza Italia im bevorstehenden Wahlkampf zu übernehmen.Doch auch der Stern von Sergio Marchionne droht zu verblassen. Seine Kritiker sind der Ansicht, dass der FCA-Chef zwar viel von Finanzen, weniger aber vom Autogeschäft verstehe. Die Modellerneuerung bei FCA weist nicht nur Verzögerungen auf, sondern erwies sich zum Teil auch als Flop. Manche neuen Fahrzeuge wurden bald nach ihrer Präsentation wieder vom Markt genommen. Auch hat FCA bislang nicht in die Elektromobilität investiert, und erst das Abkommen mit Google (rein kommerzieller Natur) und zuletzt mit BMW bringt FCA bei der Elektromobilität einen kleinen Schritt weiter. Marchionne kommt nicht aus der Autobranche, sondern begann seine Karriere bei Fiat 2003 als Seiteneinsteiger. Vorher hat er u.a. die Schweizer SGS (Société Générale de Surveillance) in Genf saniert. Meistbietender gesuchtAngeblich sind sich FCA-Präsident und Großaktionär John Elkann und sein CEO nicht mehr in allen Dingen einig. Etwa bei der Übernahme seitens der Chinesen. “FCA kann im Alleingang nicht überleben”, zeigte sich kürzlich auch Fiat-Experte Giuseppe Berta gegenüber der Börsen-Zeitung überzeugt und stärkte John Elkann mit seinen Verkaufsabsichten den Rücken. Wer die Verhandlungen mit den chinesischen Interessenten führt oder führen wird, ist nicht sicher. Zweifellos könnte Marchionne dabei einmal mehr sein Verhandlungsgeschick zeigen. Sicher scheint einzig die Tatsache, dass der FCA-Konzern, wenn er schon verkauft wird, an den Meistbietenden gehen soll.