Medienmanager

Mark Thompson soll US-Nachrichtensender CNN digital auf Kurs bringen

Der ehemalige "New York Times"-Chef Mark Thomspon krempelt den kriselnden Nachrichtensender CNN um. Dabei muss er im US-Wahljahr auch inhaltliche Grabenkämpfe ausfechten.

Mark Thompson soll US-Nachrichtensender CNN digital auf Kurs bringen

CEO Thompson krempelt CNN um

xaw New York

Nach dem Telefonat, das Mark Thompson die größte Herausforderung seiner langen Karriere bescheren soll, zückt der britische Medienmanager sein Smartphone und öffnet den Textgenerator ChatGPT. Eine Frage will der ehemalige Generaldirektor der Rundfunkanstalt „BBC“ und CEO der „New York Times“ dem populären Chatbot der Technologieschmiede OpenAI stellen: „Wäre Mark Thompson ein geeigneter Chef für CNN?“

Denn am Telefon hat ihm David Zaslav, der Vorstandsvorsitzende des Medienkonglomerats Warner Bros. Discovery, die Leitung des kriselnden US-Nachrichtensenders angeboten. Es ist Mitte Juni 2023, Thompson befindet sich mit seiner Frau in Frankreich und ist von Zaslavs Offerte überrascht. Bevor er eine Entscheidung zu dem Jobangebot trifft, will der Brite sich möglichst neutrale Meinungen einholen. Die erste Antwort von ChatGPT fällt halbwegs ermutigend aus: „Jetzt, wo du's sagst ...“, soll das Programm Thompson auf die Frage nach seiner Eignung für den CNN-Posten erwidert haben – so erzählt es der 66-Jährige Ende Februar bei einem Abendessen in der New Yorker Zentrale der Investmentbank Goldman Sachs.

Umfangreiche Neuorganisation

Thompson nahm den Job letztlich an – und hat bei CNN seit Oktober eine Neuorganisation angestoßen. Denn der Absolvent der renommierten Universität Oxford positioniert sich nicht nur durch Anekdoten über ChatGPT als Manager, der den digitalen Wandel in der Medienwelt mitgestalten will. In einer Videobotschaft an CNN-Mitarbeiter betonte er an seinem ersten Arbeitstag, das Unternehmen sei noch „himmelweit davon entfernt“, für die Zukunft aufgestellt zu sein.

In einem zu Jahresbeginn versandten Schreiben beschrieb Thompson seine Pläne, den gesamten Nachrichtenbetrieb von CNN in einer Einheit zu versammeln, die TV-Ausstrahlungen sowie das Digitalangebot gebündelt bespielen soll. Thompson will zudem Wege finden, den Konsum von Nachrichten über Smartphone-Videos attraktiver zu machen.

Umschwung bei Traditionszeitung

Zudem will der CEO Möglichkeiten prüfen, die CNN-Angebote durch spezialisierte Abonnementmodelle auf digitalen Kanälen stärker zu monetarisieren. Bereits bei der „New York Times“ gelang ihm so der Umschwung. Zum Zeitpunkt seines Amtsantritts 2012 kämpfte die US-Zeitung mit einem Rückgang ihrer Print-Kundenzahl und kam auf weniger als 600.000 Digital-Abonnenten – als Thompson 2020 abtrat, waren es über sechs Millionen. Seine Nachfolgerin Meredith Kopit Levien hat die Strategie weiter vorangetrieben und peilt die Zehn-Millionen-Marke an.

Bei CNN trifft Thompson auf eine ähnliche Herausforderung. Amerikaner verabschieden sich in Scharen vom traditionellen Kabelfernsehen, der Streamingdienst „CNN Plus“ scheiterte 2022 nach wenigen Wochen – Zuschauer sprangen nicht auf das größtenteils aus aufgezeichneten Shows bestehende Angebot an. Der im September lancierte Live-Service „CNN Max“ stellte nach Thompsons Ansicht einen Schritt in die richtige Richtung dar.

Inhaltliche Konflikte

Allerdings setzt der CEO nicht nur bei den Ausspielungsplattformen, sondern auch bei den Formaten an. Talkshows am Morgen sollen der Vergangenheit angehören, Thompson will den Sender wieder auf harte News fokussieren. Im US-Wahljahr muss der Medienmanager, dem Kritiker seit seiner Zeit bei der „BBC“ vorwerfen, möglichst große Reichweite zulasten von Qualität zu verfolgen, dabei auch inhaltliche Grabenkämpfe austragen.

Über die Ausstrahlung von Wahlkampfauftritte des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump laufen innerhalb des Senders beispielsweise Debatten heiß. Thompson argumentierte zuletzt, CNN sei durch ihren journalistischen Auftrag verpflichtet, die Reden auszustrahlen. Programmdirektoren und Journalisten halten dem entgegen, dass dies nur gelte, wenn Trump statt Verschwörungstheorien auch Neuigkeitswert liefere. Bei dieser Abwägung dürfte Thompson indes auch ChatGPT keine zufriedenstellende Empfehlung liefern.