Start-up-Pionier

Oliver Samwer rückt in Kategorie „50+“ vor

Vor bald 25 Jahren startete Oliver Samwer mit seinen zwei Brüdern das Internetauktionshaus Alando und verkaufte es wenig später an das US-Vorbild Ebay. Mit Rocket Internet hat er dieses Innovationsmodell auf die Spitze getrieben. Am Dienstag wird er 50 Jahre alt.

Oliver Samwer rückt in Kategorie „50+“ vor

Von Stefan Paravicini, Berlin

„Ältere Gründerinnen und Gründer haben gegenüber jüngeren Unternehmensgründern ein enormes Plus durch ihre Lebens- und Berufserfahrung“, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium auf seinem Existenzgründungsportal unter der Rubrik „Gründung mit 50+“. Dass ältere Semester mit einer Gründungsidee gesonderte Tipps erhalten, kommt nicht von ungefähr. Denn wer heute an erfolgreiche Start-ups denkt, hat automatisch das Bild von ambitionierten „Twentysomethings“ vor Augen. Jung, talentiert, schnell und kompromisslos. So jemand wie Oliver Samwer kurz vor der Jahrtausendwende, als er 1999 zusammen mit seinen Brüdern Alexander und Marc sowie mit drei Weggefährten das Internetauktionshaus Alando gründete und es wenig später für 43 Mill. Dollar an das US-Vorbild Ebay verkaufte. Am nächsten Dienstag wird Oliver Samwer 50 Jahre alt.

Wegbereiter der Tech-Szene

„Das, was hier geleistet wurde, sucht seinesgleichen“, sagt ein langjähriger Weggefährte, der Oliver Samwer noch aus der Studienzeit an der WHU – Otto Beisheim School of Management kennt und 2007 auch bei der Gründung des Start-up-Inkubators Rocket Internet in der ersten Reihe stand, bevor sich später die Wege trennten. Er sieht Samwer als einen der Wegbereiter der Internet- und Technologieszene in Deutschland. Denn von Berlin als europäischer Metropole für Tech-Start-ups, die im vergangenen Jahr gut 10 Mrd. Dollar Risikokapital bei Investoren eingesammelt haben, konnte beim Start von Alando in Kreuzberg noch keine Rede sein. Heute werden nicht nur in Berlin viele Nachwuchsunternehmen von Gründern hochgezogen und von Investoren unterstützt, die das Handwerk der Skalierung von Technologiefirmen irgendwann im Start-up-Imperium der Brüder Samwer gelernt haben.

Allein die Start-up-Fabrik Rocket Internet hat über die Jahre mehr als 400 Gründerinnen und Gründer hervorgebracht. Rocket-Alumni tummeln sich in vielen Venture-Capital-Gesellschaften, die das Wachstum des Firmennachwuchses finanzieren. Das Investoren-Netzwerk SB21, in dem sich Business Angels aus dem Rocket-Netzwerk zusammengeschlossen haben, investiert mit Reverenz an die alte Adresse der Start-up-Schmiede an der Saarbrücker Straße 21 in junge Firmen.

Die Zeiten, in denen Samwer als Posterboy der europäischen Gründerszene Milliarden für seinen Start-up-Inkubator eingesammelt hat, sind allerdings lange vorbei. Zuletzt machte die ab 2014 börsennotierte Rocket Internet vor allem mit einem wenig ruhmreichen Delisting Schlagzeilen. Der Versuch, parallel dazu auf den fahrenden Zug leerer Börsenhüllen aufzuspringen, blieb bislang ohne nennenswerten Erfolg für die von Samwer an die Börse gerollten Spacs. In den vergangenen Wochen gab es Berichte von Entlassungen bei dem von den Samwers gestarteten Wagniskapitalfonds Global Founders Capital und dem Frühphasen-Investor Flash Ventures von Rocket Internet.

Im Berliner Stadtbild fielen die Samwers in den vergangenen Jahren insbesondere durch mittlerweile altersgerechte, aber wenig originelle Investments in Immobilien auf. Ein Kredit über ein Investmentvehikel, an dem auch Oliver Samwer beteiligt war, an den damaligen Wirecard-Chef Markus Braun in Höhe von 75 Mill. Euro kurz vor der Pleite des Skandal-Konzerns bestätigte die Wahrnehmung, dass Samwer die Ideen ausgegangen sind.

Der Vorwurf, keine eigenen Ideen zu haben, begleitet ihn schon lange. Denn nach der Gründung von Alando als Kopie des US-Pioniers Ebay und dem Start des Klingeltonanbieters Jamba nach asiatischen Vorbildern trieb er das Modell der „geografischen Innovation“ mit Rocket Internet auf die Spitze. Die Samwers wurden wahlweise als „Copy-and-paste-Millionäre“ belächelt oder als „jämmerliche Diebe“ beschimpft, die Ideen von anderen Gründern abkupferten und in einer „Klonfabrik“ von ehrgeizigen Adjutanten umsetzen ließen, die bevorzugt von Adressen wie McKinsey oder Goldman Sachs kamen und für martialische Rhetorik wie in Samwers berüchtigter „Blitzkrieg-Mail“ empfänglich waren.

Selbst Wegbegleiter, die Samwer über die Jahre kritisch gesehen haben, können mit der Karikatur des Blitzkriegers in der Klonfabrik nicht viel anfangen. Sie beschreiben ihn als unternehmerisches Ausnahmetalent, das sich durch enormen Ehrgeiz, blitzschnelle Auffassungsgabe und außergewöhnliche Intuition auszeichnet. „Die unternehmerische Leistung ist, zu erkennen, welche technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen welche Modelle begünstigen, und sie so umzusetzen, dass sie auch erfolgreich sind“, beschreibt ein ehemaliger Rocket-Mann das Innovationsmodell.

Das reicht nicht, um sich in eine Reihe mit Gründerfamilien wie Siemens, Grundig oder Miele stellen zu können, in deren Tradition sich Samwer gerne sehen würde. „Aber er feiert ja nicht seinen 80., sondern seinen 50. Geburtstag“, sagt ein langjähriger Weggefährte.