Liebesaffäre

Raiffeisen-Präsident tritt zurück

Die schweizerische Raiffeisen-Gruppe kommt nicht zur Ruhe. Keine drei Jahre nachdem mutmaßlich kriminelles Fehlverhalten in der obersten Führungsetage die Bankengruppe zu einer personellen Runderneuerung gezwungen hatte, steht dem Institut der...

Raiffeisen-Präsident tritt zurück

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Die schweizerische Raiffeisen-Gruppe kommt nicht zur Ruhe. Keine drei Jahre nachdem mutmaßlich kriminelles Fehlverhalten in der obersten Führungsetage die Bankengruppe zu einer personellen Runderneuerung gezwungen hatte, steht dem Institut der nächste Skandal ins Haus. Am Donnerstagabend kündigte Verwaltungsratspräsident Guy Lachappelle auf einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz in seiner Heimatstadt Basel unter Tränen seinen Rücktritt Ende Juli an.

2018 hatte er die operative Leitung der staatlich beherrschten Basler Kantonalbank gegen den Posten als hauptamtlicher Aufsichtsratschef von Raiffeisen Schweiz eingetauscht. Dadurch gelangte er an die Spitze des drittgrößten Finanzinstituts im Land. Lachappelle habe sich seinerzeit intensiv um diesen prestigeträchtigen Posten bemüht, will die Schweizer Presse wissen. Die Erzählung passt auf jeden Fall gut zu dem hochemotionalen Auftritt, mit dem sich der 60-Jährige von der öffentlichen Bühne verabschiedet hat.

In einem 18-minütigen Statement schilderte der Manager seine Sicht auf eine schon geraume Zeit zurückliegende, außereheliche Liebesaffäre, die ein böses Ende genommen hat. Die beiden Ex-Geliebten stehen sich nun in der juristischen Kampfarena gegenüber. Gegen Lachappelle sind zwei Strafanzeigen eingegangen. Mindestens eine davon ist geeignet, die Integrität des Mannes in seiner Rolle als Bankchef zu beschädigen. Lachappelle soll in seiner Zeit als Leiter der Basler Kantonalbank „potenziell börsenrelevante“ Informationen an seine frühere Partnerin weitergeleitet haben. Der Vorwurf ist durch eine publik gewordene Mail belegt und wird vom Urheber auch nicht bestritten. Die Übermittlung des Dokuments sei ein „riesengroßer Fehler“ gewesen, räumte Lachappelle ein: „Ich schäme mich für diese unglaubliche Unachtsamkeit.“

Über die Motive der Geheimnisverletzung können Außenstehende nur rätseln. Finanzielle Bereicherung (durch Insidergeschäfte) scheint a priori nicht das Ziel gewesen zu sein. Dagegen sprechen sowohl der Inhalt der Dokumente, die sich um eine neue Digitalisierungsstrategie der Bank drehten, als auch der Umstand, dass sich die Empfängerin der Information selbst strafbar gemacht hätte, wenn sie aktiv geworden wäre.

Der Jurist weiß allerdings, dass die Aufsichtsbehörde für solche Vorkommnisse wenig Verständnis hat. Mit seinem Rücktritt ist er einer möglichen Intervention der Behörde zuvorgekommen. In diese Richtung weist auch Lachappelles explizite Be­teuerung, sich ganz aus der Finanzbranche zurückzuziehen. Interimistisch übernimmt nun der Schweizer Wirtschaftsprofessor Pascal Gantenbein die Führung des Verwaltungs­rates.

Damit ist die Raiffeisen-Saga um ein Kapitel reicher. Ex-CEO Pierin Vincenz hatte Raiffeisen Schweiz zu einem Machtzentrum ausgebaut, in dem der Manager weitgehend frei von Aufsicht und Kontrolle agiert und seine Freiheiten mutmaßlich auch für illegale Geschäfte genutzt hatte. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat ihn wegen persönlicher Bereicherung und gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt.