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Rom hat wieder Ärger mit Atlantia

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 21.11.2019 Mit dem Nein zu einer Beteiligung an der Rettung der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft Alitalia haben Atlantia-Präsident Fabio Cerchiai und Generaldirektor Giancarlo Guenzi die Probleme...

Rom hat wieder Ärger mit Atlantia

Von Gerhard Bläske, MailandMit dem Nein zu einer Beteiligung an der Rettung der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft Alitalia haben Atlantia-Präsident Fabio Cerchiai und Generaldirektor Giancarlo Guenzi die Probleme der Regierung in Rom gewaltig verschärft. Nach den Überschwemmungskatastrophen, der drohenden Schließung des Stahlwerks von Taranto, einer stagnierenden Wirtschaft und schwierigen Haushaltsverhandlungen hatte die Regierung wenigstens auf eine Einigung bei Alitalia gehofft. Die Zustimmung von Atlantia schien nur eine Formalie zu sein. Nun droht Alitalia die Liquidation oder eine schmerzhafte Sanierung auf Staatskosten. Die Gewerkschaften haben vorsorglich zu Streiks aufgerufen.Doch die Familie Benetton, vor allem der 84-jährige Patriarch Luciano und Sabrina, Tochter seines 2018 verstorbenen Bruders Gilberto, wollten das Risiko nicht eingehen. Grund sei der drohende Entzug der Konzession für den Betrieb eines 3 000 Kilometer langen Autobahnnetzes durch die Atlantia-Tocher Autostrade per l’Italia infolge des tragischen Brückeneinsturzes in Genua. Die Benettons halten 30 % der Atlantia-Anteile und verlangen Garantien für den Weiterbetrieb, die Premierminister Giuseppe Conte nicht geben kann. Die Regierungspartei 5 Sterne fordert den Entzug der Konzession, während der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) nur eine “Überprüfung” verlangt.Die Position Atlantias ist durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stark geschwächt. Es stellte sich heraus, dass Berichte über den Zustand von diversen Bauwerken systematisch geschönt bzw. manipuliert wurden, um teure Wartungsarbeiten zu verhindern. Gegen zahlreiche Manager von Atlantia und deren Töchtern wird ermittelt, einige wurden mit Berufsverboten belegt oder stehen unter Hausarrest. Der langjährige Atlantia-CEO Giovanni Castellucci musste im September auf Druck der Benettons gehen.Ohne die ertragreichen Einnahmen aus dem Autobahnkonzessionsgeschäft wollten die Benettons offenbar nicht das Risiko eines Engagements bei Alitalia eingehen. Vielleicht ist der Rückzug aber auch taktisch bedingt. Jedenfalls lässt Atlantia die Tür ein Stück weit offen und will bei der Suche nach einem Investor aus der Luftfahrtbranche helfen. Am Ende gibt es vielleicht noch eine Chance für die Lufthansa, die nach einer Sanierung einsteigen könnte. Atlantia hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, die Deutschen als Partner zu bevorzugen.Atlantia hat seit dem Abgang Castelluccis keinen CEO mehr, sondern ein fünfköpfiges Führungsteam, zu dem der 1944 in Florenz geborene Cerchiai, der seit 2010 Chairman ist, und der 1955 geborene Guenzi gehören, der im September General Manager wurde. Cerchiai hat an der römischen La Sapienza Wirtschaft studiert und seine Karriere bei der Versicherung Generali begonnen. Er arbeitete lange im Versicherungsgeschäft, ist auch Chairman von Unipol und Bankprofessor an der Mailänder Università Cattolica. Guenzi, der ebenfalls an der Sapienza war, arbeitet seit 1994 für die Benetton-Gruppe, bekleidete diverse Führungspositionen und war von 2007 bis 2019 CFO der Autostrade.