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Rupert Stadler in Untersuchungshaft

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 19.6.2018 Es war der Hammer zum Wochenauftakt: Rupert Stadler, der langjährige Vorstandschef von Audi, landet auf Anordnung einer Ermittlungsrichterin am Amtsgericht München in Untersuchungshaft. Das gab...

Rupert Stadler in Untersuchungshaft

Von Stefan Kroneck, MünchenEs war der Hammer zum Wochenauftakt: Rupert Stadler, der langjährige Vorstandschef von Audi, landet auf Anordnung einer Ermittlungsrichterin am Amtsgericht München in Untersuchungshaft. Das gab die Staatsanwaltschaft der bayerischen Landeshauptstadt am Montag bekannt. Von Stadler gehe “Verdunkelungsgefahr” aus, nannte die Behörde als Grund. Sie wirft ihm unter anderem Betrug vor. Der Schlag erfolgte nur eine Woche nach der Durchsuchung seines Hauses im Zusammenhang mit den Strafermittlungen wegen des Dieselbetrugs. Die Ingolstädter Volkswagen-Tochter bestätigte dies am Montagvormittag in einer Stellungnahme und verwies zugleich darauf, dass für ihn “weiterhin die Unschuldsvermutung” gelte. Kurz zuvor war der Topmanager auf Antrag der Staatsanwaltschaft München festgenommen worden. Damit ereilt dem 55-Jährigen in der Dieselmanipulationsaffäre das gleiche Schicksal wie Wolfgang Hatz (59). Der frühere Entwicklungsvorstand von Audi und Porsche sitzt seit knapp neun Monaten aufgrund der laufenden Ermittlungen im Gefängnis wegen der Tragweite der Beschuldigungen. Seit dem 30. Mai führen die Strafermittler Stadler ebenfalls als Beschuldigten (vgl. BZ vom 12. Juni). Deren Zahl stieg in der Causa damit auf insgesamt 20 Personen. Die jüngste Haftanordnung ist ein Schlag ins Kontor des VW-Reichs und der beiden Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, die bisher zum Audi-CEO gehalten haben. Stadler war einst Vertrauter des früheren Firmenpatriarchen Ferdinand Piëch (81) und des einstigen VW-Chefs Martin Winterkorn (71), der im September 2015 nach Aufdeckung des Betrugsskandals zurückgetreten war. Diese Treue zu Stadler konnten die beiden Familienstämme aber nicht mehr aufrechterhalten. Ansonsten wäre Audi mit einem CEO in U-Haft führungslos und handlungsunfähig gewesen. Von einer Gefängniszelle aus kann man keinen Autokonzern steuern. Zuletzt eine “lahme Ente”Nach einer regulären Sitzung gab der Aufsichtsrat (AR) von VW in einer “übergeordneten” Stellungnahme am Montagabend bekannt, dass für eine Übergangslösung Audi-Vertriebsvorstand Bram Schot (56) die Nachfolge für eine Übergangszeit antritt. Formell hätte die Entscheidung vom zuständigen Audi-AR erfolgen müssen. In der Hektik des Tages war dies wohl nicht mehr möglich gewesen. Damit endet die Ära Stadler an der Spitze der VW-Tochtergesellschaft abrupt. Seine Karriere als Automobilmanager dürfte beendet sein. Er führte Audi seit Anfang 2007. Der Niederländer Schot gehört dem obersten Führungsgremium von Audi erst seit Anfang September vergangenen Jahres an. Im Hochsommer 2017 tauschte das Audi-Kontrollgremium fast die gesamte Führungsriege mit VW-Spitzenmanagern aus. Stadler, dessen Vertrag der Audi-AR wider Erwarten drei Monate zuvor um weitere fünf Jahre bis 2022 verlängert hatte, durfte bleiben, obwohl der mächtige Betriebsrat dies nur mit Zugeständnissen der Kapitalseite akzeptierte. Spätestens von diesem Zeitpunkt an galt Stadler im Konzern nur noch als “lame duck”. Auf Geheiß der Familien Porsche und Piëch sollte er Audi, die Premiummarke im VW-Mehrmarkenkonzern, in das Zeitalter der Elektromobilität und der selbstfahrenden Fahrzeuge führen. Gegenüber den Wettbewerbern BMW und Daimler geriet Audi auf diesen Feldern in Rückstand.Dieses Vorhaben schlug aber fehl. Audi kam nicht zur Ruhe. Stadler geriet immer stärker in das Visier der deutschen Ermittler. Die Affäre holte nun Audi mit voller Wucht ein. Die Eigentümerfamilien unterließen es, für ihn einen Kronprinzen aufzubauen, der das Ruder rechtzeitig übernimmt. Diese Nachlässigkeit rächt sich nun. Audi wirkte zuletzt wie ein Getriebener, der von den Ereignissen überrollt wird. Dies wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Corporate Governance des Gesamtkonzerns, die bei Investoren seit Jahren in der Kritik steht. Das Zaudern der privaten Großaktionäre der Audi-Muttergesellschaft vergrößerte den Imageschaden der einstigen Vorzeigetochter am nördlichsten Rand von Oberbayern. Nun obliegt es Schot, die Aufräumarbeiten zu erledigen. Stadler wurde sowohl hausintern als auch von außen vorgeworfen, er gehe zu zaghaft voran. Der Vorwurf soll sich auch in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft wiederfinden. Stadler, der Bremser und nicht der eifrige Aufklärer? Bei Porsche war man zuletzt auf den aus Titting (bei Ingolstadt) stammenden Betriebswirt nicht mehr gut zu sprechen. Der Sportwagenbauer aus Zuffenhausen bezog manipulierte Dieselmotoren von Audi. Langes Verfahren in SichtEine aktive Beteiligung an den Abgasbetrügereien hat Stadler stets bestritten. Er behauptete bislang, von den Machenschaften erst im September 2015 erfahren zu haben, als der Skandal in den USA aufflog. Monate danach stellte sich heraus, dass Audi in der VW-Affäre eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Doch an Stadler prallte zunächst sämtliche Kritik ab. Er beschuldigte die eigenen Ingenieure, ihn nicht rechtzeitig über die Mauscheleien informiert zu haben. Ex-Mitarbeiter wiesen dies zurück und erklären, Stadler habe von dem Betrug viel früher gewusst als angegeben. Ob die Ermittlungen in eine Anklage der Strafverfolger und in einen Gerichtsprozess gegen ihn münden, bleibt offen. Das Verfahren könnte sich noch über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinziehen. Sollte aber Stadler verurteilt werden, könnten eines Tages auf ihn Schadenersatzforderungen seines Arbeitgebers zukommen. Die Affäre wird also Audi noch über Jahre hinaus in Atem halten.