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Schlammschlacht an der EWE-Spitze

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 22.2.2017 Um 16 Uhr soll heute die außerordentliche Aufsichtsratssitzung beim Oldenburger Energiekonzern EWE beginnen, in der die 20 Mitglieder des Kontrollgremiums über die Empfehlung des achtköpfigen...

Schlammschlacht an der EWE-Spitze

Von Carsten Steevens, HamburgUm 16 Uhr soll heute die außerordentliche Aufsichtsratssitzung beim Oldenburger Energiekonzern EWE beginnen, in der die 20 Mitglieder des Kontrollgremiums über die Empfehlung des achtköpfigen Aufsichtsratspräsidiums vom 7. Februar beraten werden, die Bestellung von Matthias Brückmann zum Vorstandsmitglied und zum Vorstandsvorsitzenden des fünftgrößten deutschen Versorgers mit sofortiger Wirkung zu widerrufen. Das Treffen dürfte sich bis weit in den Abend hinziehen, sagte ein EWE-Sprecher auf Anfrage.Dabei gilt die Abberufung des seit Oktober 2015 amtierenden Vorstandschefs Brückmann, dem mehrere Pflichtverletzungen vorgeworfen werden, als sicher. Dass der gesamte Aufsichtsrat der Empfehlung des Präsidiums nicht folgt, halten Beobachter für ausgeschlossen. Der 54-Jährige setzt sich allerdings zur Wehr – gegen den Widerruf der Bestellung in den Vorstand Mitte 2013 und zum Vorstandsvorsitzenden gut zwei Jahre später sowie gegen eine fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses. Die in anonymen Schreiben enthaltenen Vorwürfe, die Aufsichtsratsmitgliedern im Dezember zugespielt wurden, hält Brückmanns Anwalt Bernd-Wilhelm Schmitz faktisch wie rechtlich für unzureichend, um eine Demission des Konzernchefs, der sein Amt seit dem 7. Februar ruhen lässt, zu rechtfertigen.Im Mittelpunkt einer Reihe von Vorwürfen steht dabei eine vermeintlich unzulässige Spende über 253 000 Euro an eine Stiftung des ehemaligen Box-Weltmeisters Wladimir Klitschko zugunsten bedürftiger Kinder in der Ukraine. Noch am 3. Februar hatte EWE-Aufsichtsratschef Stephan-Andreas Kaulvers (60) nach der Zusage Brückmanns, “aufgrund der in der Öffentlichkeit entstandenen Irritationen” die Spende privat zu übernehmen, in einer Presseerklärung von einem starken Signal gesprochen, das Größe zeige. Kurz nach dieser von Brückmann als Vertrauensbeweis aufgefassten Stellungnahme folgte jedoch die Empfehlung des Aufsichtsratspräsidiums zur Abberufung aus dem Vorstand.In einem am Montag verschickten Schreiben an Kaulvers, der nach seinem Rücktritt als Vorstandschef der Bremer Landesbank im Sommer 2016 auf Wunsch der kommunalen EWE-Mehrheitsgesellschafter nach der Hauptversammlung Anfang Mai auch seinen Posten an der Spitze des EWE-Kontrollgremiums abgeben wird, kritisierte Brückmann-Anwalt Schmitz, dass dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden eine Teilnahme an der heutigen Aufsichtsratssitzung verwehrt werde und keine Chance bestehe, persönlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden wurde ein Gutachten des Mainzer Rechtswissenschaftlers Uwe Schneider übermittelt, in dem dieser im Zuge einer vorläufigen rechtlichen Bewertung der Spende zu dem Ergebnis gelangt, dass Brückmann sowohl bei der Zusage als auch bei der Abwicklung nicht gegen seine Pflichten gegenüber der EWE verstoßen habe und somit kein wichtiger Grund zur Abberufung als Vorstand und zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags vorliege. Spende “korrekt”Zum Zeitpunkt der Spendenzusage im März 2016 habe der Vorstand des Energieversorgers über ein eigenes jährliches Spendenbudget von 500 000 Euro verfügt, das nicht ausgeschöpft gewesen sei, heißt es in dem Gutachten, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Maßgeblich für die weitere Ausführung waren demnach Spendenregelungen, die bis zu einer im Juni 2016 in Kraft getretenen Neuregelung galten. Nach dieser Konzernanweisung sei eine vorherige Unterrichtung und Genehmigung durch den Aufsichtsrat nicht erforderlich gewesen. Die Geschäftsordnung des EWE-Aufsichtsrats sehe zudem vor, dass sich der Finanz- und Prüfungsausschuss einmal jährlich mit diesen Vorgängen beschäftigen muss – was offenbar üblicherweise in der ersten Sitzung des Folgejahres geschieht. Es sei nicht ersichtlich, dass Brückmann Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat verletzt haben könnte.Welche Schlussfolgerungen sich bislang aus Untersuchungen der vom Aufsichtsrat im Dezember beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ergeben haben, ist unklar. Von Seiten der Mehrheitsaktionäre sei erklärt worden, dass abschließende Ergebnisse zu einer Reihe von Vorwürfen noch nicht vorliegen, so Brückmann-Anwalt Schmitz. Vor diesem Hintergrund könne eine Abberufung des Vorstandsvorsitzenden nicht beschlossen werden. Korruptionsvorwürfe heikelUnklar ist auch, ob es einen Zusammenhang gibt mit Korruptionsvorwürfen. Im Raum steht der Verdacht, dass die anonymen Anschuldigungen gegen Brückmann eine Folge der angeblich von ihm initiierten Untersuchungen möglicher Korruptionsfälle sein könnten. Die EWE bestreitet das. Anders als von Brückmann dargestellt, habe nicht dieser, sondern die Konzernrevision aufgrund externer Hinweise verstärkte Prüfungen bei der Tochter EWE Netz eingeleitet, wobei man sich seit Ende Januar von der KPMG unterstützen lasse. Geprüft werde das Unternehmen, nicht Einzelpersonen.Die Ermittlungen sind heikel, da der Vorsitzende der Netz-Geschäftsführung, Torsten Maus, sowie der ehemalige Generalbevollmächtigte für Infrastruktur bei der EWE und heutige Vorstand der Bremer Tochter SWB, Timo Poppe, als Wunschkandidaten der kommunalen Mehrheitsgesellschafter und des Betriebsrats für die vakanten Posten im Konzernvorstand gelten. Neben Personalvorstand Nikolaus Behr, der im Zusammenhang mit einer Spitzelaffäre im Oktober ausschied, verließ Ende 2016 auch Technikvorstand Ines Kolmsee den Konzern. Ob der Aufsichtsrat, an dessen Spitze nach dem Ausstieg des Karlsruher Energiekonzerns EnBW als Aktionär der Leeraner SPD-Landrat und stellvertretende Geschäftsführer des Mehrheitsgesellschafters EWE Verband, Bernhard Bramlage, rücken soll, heute die Neubesetzungen im Vorstand beschließt, erscheint angesichts fehlender Prüfergebnisse riskant.In die Schlammschlacht an der EWE-Spitze haben sich inzwischen mehrere Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Während die Justizbehörde in Oldenburg dem Anfangsverdacht der Untreue gegen Brückmann und den Marktvorstand Michael Heidkamp, der die Spendenüberweisung am 24. Oktober mitunterzeichnet haben soll, nachgeht, hat am vorigen Freitag auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen eingeleitet. Es müsse noch festgestellt werden, welche Beteiligten dahinter steckten, sagte ein Sprecher der Behörde in Osnabrück. Es könne Monate dauern, ehe “brauchbare Ergebnisse” vorliegen.