Dieselskandal

SdK klagt wegen VW-Vergleich mit Winterkorn

Die Aktionärsvereinigung SdK geht mit einer Klage gegen die Beschlüsse der VW-Hauptversammlung zum Vergleich mit dem früheren Konzernchef Winterkorn und Ex-Audi-Boss Stadler im Dieselskandal vor.

SdK klagt wegen VW-Vergleich mit Winterkorn

Von Carsten Steevens, Hamburg

Der auf der virtuellen Hauptversammlung von Volkswagen am 22. Juli beschlossene Haftungsvergleich zwischen dem Wolfsburger Fahrzeugbauer und dem früheren Konzern-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn (74) sowie dem ehemaligen Konzernvorstand und Audi-Chef Rupert Stadler (58) im Zusammenhang mit dem Diesel­abgasskandal und der ebenfalls gebilligte sogenannte Deckungs­vergleich von Volkswagen mit D&O-Versicherern stoßen auf Widerstand. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hat beim Landgericht Hannover eine Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage erhoben, wie die Aktionärsvereinigung am Freitag mit­teilte.

Schlussstrich moniert

Die Aktionärsschützer, die sich für die Rechte und Interessen vor allem von Kleinanlegern einsetzen, kritisieren, dass mit den Vergleichsvereinbarungen ein Schlussstrich unter die zivilrechtliche Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in dem vor knapp sechs Jahren aufgeflogenen Skandal gezogen werden solle. Der genaue Schaden sei aber noch gar nicht absehbar. Weder sei der Sachverhalt abschließend ermittelt, noch absehbar, welche weiteren Sanktionen – etwa in den USA – auf den VW-Konzern und frühere Organmitglieder zukommen.

Auf der Hauptversammlung war dem Vergleich mit Winterkorn und Stadler sowie zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern von Audi und Porsche­ sowie der Einigung über Entschädigungs­zahlungen aus der Managerhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) mit einer Mehrheit von 99,9% zugestimmt worden. Mehr als 90% der stimmberechtigten VW-Stammaktien liegen bei der Familienholding Porsche SE, dem Land Niedersachsen sowie dem Emirat Katar. Die im Juni bekannt gewordenen Vereinbarungen sehen vor, dass Winterkorn einen Beitrag von 11,2 Mill. Euro zu leisten hat, Stadler von 4,1 Mill. Euro. Die D&O-Versicherer zahlen insgesamt 270 Mill. Euro. Bislang belastet der Dieselskandal den VW-Konzern mit gut 32 Mrd. Euro.

Vor der Abstimmung hatten auch Fondsgesellschaften und Investorenvereinigungen die Vereinbarungen bei dem Aktionärstreffen kritisiert. Die Vergleichslösungen begünstigten einseitig die ehemaligen Vorstände und ließen die Minderheitsaktionäre ratlos zurück, erklärte etwa ein DWS-Vertreter. Ein Sprecher des Vermögensverwalters Federated Hermes bezeichnete die Regelung als verfrüht und stellte sich gegen die Position von Aufsichtsrat und Vorstand, die es nicht für angebracht hielten, die Ergebnisse einer Sonderprüfung der Ursachen des Abgasskandals abzuwarten.

Sonderprüfung verlangt

Auch die SdK verweist auf die 2017 durch das Oberlandesgericht Celle angeordnete externe Untersuchung. Die Anlegerschützer monieren nach einer rechtlichen Prüfung, dass die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse unter anderem nichtig bzw. anfechtbar seien, weil sie den Zweck der Sonderprüfung umgehen würden. „Es kann doch wohl nicht sein, dass eine rechtskräftig angeordnete Sonderprüfung durch einen Vergleich von hinten aus den Angeln gehoben wird“, sagte Anwalt Oliver Wilken, dessen Kanzlei Reitze Wilken Partnerschaft die Klage führt. Bei einer gerichtlichen Anordnung diene eine Sonderprüfung auch dem Minderheitenschutz, so die Juristen, die einen Verstoß gegen §142 Aktiengesetz sehen. Weitere Nichtigkeitsgründe werden unter anderem darin gesehen, dass die Hauptversammlungsbeschlüsse unbestimmt und unverständlich für einen objektiv-urteilenden Aktionär seien.

Zudem sei ein Rechtsmissbrauch zu beanstanden: Die Vergleichsvereinbarungen und die Beschlüsse lägen nicht im Interesse der Gesellschaft und seien insofern unvertretbar. Mögliche Schadenersatzansprüche gegen Winterkorn und Stadler würden zu einem Betrag von weniger als 1% des Gesamtschadens verglichen. Vorgesehen sei, dass die persönlichen Ersatzleistungen allerdings großenteils durch Verzicht auf noch ausstehende Boni erbracht werden. Die SdK moniert, mit den Zahlungen fielen nicht nur alle Schadenersatzansprüche gegen die ehemaligen Top-Manager weg. Sie würden damit auch noch eine Freistellung von allen Ansprüchen Dritter durch VW erhalten. Den sogenannten Deckungsvergleich mit den D&O-Versicherern kritisieren die Aktionärsschützer, da durch den Vergleich die Deckungsansprüche gegen die Versicherungen erledigt würden. Zudem würden auch alle anderen amtierenden und früheren Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von allen Ansprüchen freigestellt.

Volkswagen teilte mit, die Klage der SdK liege seit Donnerstagabend vor, man werde sie nun im Einzelnen prüfen. Der Konzern gab sich überzeugt, dass sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlung wirksam sind. „Die von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger öffentlich genannten Anfechtungsgründe entbehren jeder Grundlage.“

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