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Sen lenkt Siemens-Kraftwerke an die Börse

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 19.9.2019 Im internationalen Geschäft des Kraftwerkbaus gibt es einen neuen starken Mann: Michael Sen. Der Siemens-Aufsichtsrat hat den 50-Jährigen als neuen Vorstandsvorsitzenden der künftigen...

Sen lenkt Siemens-Kraftwerke an die Börse

Von Michael Flämig, MünchenIm internationalen Geschäft des Kraftwerkbaus gibt es einen neuen starken Mann: Michael Sen. Der Siemens-Aufsichtsrat hat den 50-Jährigen als neuen Vorstandsvorsitzenden der künftigen Energiesparte des Konzerns vorgeschlagen. Der Siemens-Vorstand wird damit perspektivisch rund 88 000 Beschäftigte führen. Vor der Bildung des neuen Unternehmens wird Sen erst einmal Co-CEO der Siemens-Kraftwerkssparte Gas and Power. Das Unternehmen leitet er vom 1. Oktober an gemeinsam mit Lisa Davis (55), die allerdings auf dem Absprung ist und ihre Aufgaben bis zum 5. Februar 2020 übergibt. Sie erhält bis zum Auslaufen ihres Vertrags Ende Oktober 2020 eine Beraterfunktion.Der Aufsichtsrat entschied darüber hinaus, für die Nachfolge von Vorstandschef Joe Kaeser (62) auf Roland Busch (54) zu setzen (siehe Seite 1). Der künftige stellvertretende Vorstandschef hat seine gesamte Karriere bei Siemens absolviert. Als promovierter Physiker stieg er 1994 in der Siemens-Forschungsabteilung ein und übernahm seit dem Jahr 2011 verschiedene Funktionen im Konzernvorstand. Künftig wird er auch als Arbeitsdirektor aktiv sein und die Implementierung der Konzernstrategie Vision 2020+ verantworten. Im Sommer 2020 soll entschieden werden, ob er tatsächlich Vorstandsvorsitzender wird.Doch auch die Verantwortung von Sen in seiner neuen Rolle ist enorm: Gemeinsam mit Finanzvorstand Klaus Patzak (54) muss er sicherstellen, dass die Transformation von einer Sparte zu einem Dax-Riesen gelingt. Zwar hat der Konzern eigentlich viel Erfahrung damit, sich neue Unternehmen aus seinen Rippen zu schneiden. Von Infineon bis Osram reicht die Liste der Abspaltungen. Doch das Kraftwerksunternehmen spielt in einer eigenen Klasse. Die Größe ist atemberaubend. Fast 30 Mrd. Euro Umsatz bringt der Neuling mit. Richtig knifflig wird die Positionierung dadurch, dass die Branche in einem Komplettumbau steckt. Konventionelle Energieerzeugung ist auf dem absteigenden Ast, und die Windkraft-Branche leidet unter niedrigen Margen. Sen muss in diesem Umfeld neue Aktionäre begeistern, vielleicht sogar einen Ankeraktionär aus der Golf-Region finden. “Führungsstarker Stratege”Siemens-Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe strich die Kompetenz von Sen heraus. “Mit Michael Sen wird ein führungsstarker Stratege CEO”, ließ er sich zitieren. Er habe breite Erfahrung in der Energiewirtschaft sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite gesammelt.Tatsächlich genießt Sen in der Öffentlichkeit einen ausgezeichneten Ruf. In Porträts der Medien wird er per Überschrift wechselweise als “Mann für besondere Aufgaben”, “Kapitalmarkt-Experte” oder “Joe Kaesers Erster Offizier” charakterisiert. Dies deutet darauf hin, dass er als künftiger Siemens-Chef gehandelt wurde. Doch es fehlt ihm die Fachkenntnis im Kerngeschäft der Industriedigitalisierung, und derlei Know-how wird im Aufsichtsrat aktuell hoch gewichtet.Das Herz von Sen schlägt ursprünglich in der Medizintechnik. In der Siemens-Sparte hat er lange als Finanzvorstand gearbeitet (2008 bis 2015), heute führt er den Aufsichtsrat von Siemens Healthineers. Doch auch im Geschäft der Energieerzeugung hat Sen viel Erfahrung gesammelt. Die Kundensicht hat er als Eon-Finanzvorstand (2015 bis 2017) kennengelernt, im Siemens-Vorstand ist er für den Windkraftanlagenhersteller Siemens Gamesa Renewable Energy verantwortlich (2017 bis heute).Darüber hinaus bringt er in seine neue Position viel Erfahrung im Umgang mit Investoren ein. Seine Sporen verdiente Sen, nachdem er seine Laufbahn bei Siemens 1996 begonnen hatte, erst einmal in der Finanzabteilung, bevor er in die Kommunikationssparten wechselte. In den Jahren 2007 bis 2008 agierte er als IR-Chef des Konzerns. Noch wichtiger: Sen lenkte den Börsengang von Siemens Healthineers im Jahr 2018. Investorensuche ist ein vertrautes Terrain für ihn.Sen hat darüber hinaus bewiesen, dass er die Komplexität eines Konglomerats zu managen weiß. Auch Restrukturierung ist ihm vertraut. Als Medizintechnik-Finanzchef hat er das damalige Effizienzprogramm “Agenda 2013” durchgezogen.