Telekomlenker

Tim Höttges glaubt nicht an „Aufhören, wenn es am schönsten ist“

Tim Höttges steht seit 10 Jahren an der Spitze der Deutschen Telekom. Noch viel länger ist er im Unternehmen, das er mit einem beachtlichen M&A-Track-Record zu einem – europäischen – Branchenschwergewicht geformt hat.

Tim Höttges glaubt nicht an „Aufhören, wenn es am schönsten ist“

Tim Höttges glaubt nicht an „Aufhören, wenn’s am schönsten ist“

Von Heidi Rohde, Frankfurt

„Aufhören, wenns am schönsten ist“ gilt nicht nur als ungeschriebenes Gesetz für Politiker und Führungskräfte, sondern war jüngst auch der Rat eines langjährigen Weggefährten von Telekom-Chef Tim Höttges. Aber der 61-Jährige, der vom Aufsichtsrat im Dezember vor zwei Jahren nochmals für eine dritte „Amtszeit“ bis Ende 2026 bestellt wurde, zeigt sich beratungsresistent und unterstreicht damit den Elan, den er unmittelbar nach der Vertragsverlängerung ganz unverblümt in Worte gefasst hatte: „Ich habe jetzt so richtig Lust, meinen Wettbewerbern das Licht auszublasen.“ Die impulsive Äußerung war nicht die erste, die dem Spitzenmanager, der mit Beginn des neuen Jahres seit zehn Jahren die Geschicke des Bonner Telekomriesen bestimmt, in seiner Karriere im Konzern um die Ohren flog. 2011, damals noch als Finanzvorstand, verewigte er sich in der Financial Community mit seinen auf der Schmalenbach-Tagung präsentierten Anforderungen an einen Abschlussprüfer, für dessen Auswahl der Aufsichtsrat ihn selbst beauftragt habe. Dieser müsse dem Finanzchef „rund um die Uhr, sieben Tage die Woche“ zur Verfügung stehen und aktiv in aktuellen Entscheidungssituationen beraten, ließ Höttges damals wissen.

Zentraler Meilenstein

Die Bemerkung trug ihm reichlich Kritik ein, jedoch wurde der Vorfall rückblickend zur Petitesse, denn das Jahr 2011 wurde aus einem ganz anderen Grund zu einem zentralen Meilenstein in der Laufbahn des heutigen Telekomlenkers. Höttges gilt als Architekt des geplanten 39 Mrd. Dollar schweren Verkaufs der damals kränkelnden US-Tochter T-Mobile an den Wettbewerber AT&T, den er noch unter dem Vorstandsvorsitz von René Obermann einfädelte. Der Mega-Deal des Jahres 2011 scheiterte spektakulär am Widerstand der Kartellbehörden, aber er legte am Ende dennoch den Grundstein für den größten Triumph in Höttges Karriere. Die rekordhohe Break-up Fee von 3 Mrd. Dollar sowie zusätzliches Mobilfunkspektrum im Wert von weiteren 3 Mrd. bildeten die Grundlage für den Reverse Takeover des börsennotierten Wettbewerbers MetroPCS durch T-Mobile US, der den Mobilfunknetzbetreiber stärkte und zugleich an die Nyse führte.

Zweimal ausgezeichnet

Die Telekom erhielt dafür zum ersten Mal den Corporate Finance Award (CFA) der Börsen-Zeitung. Sie ist bisher das einzige Unternehmen, das schon zweimal damit ausgezeichnet wurde, und auch dies kann sich der Vorstandvorsitzende auf die Fahne schreiben. Denn die Jury würdigte damit einen erneuten Mega-Deal der Telekom in den USA, der diesmal von Erfolg gekrönt war. 2021 brachte der Konzern nach jahrelangem zähen Ringen die Übernahme von Sprint durch T-Mobile US unter Dach und Fach. Sie hält heute die Mehrheit am nach Marktkapitalisierung größten Telekomunternehmen der Welt, im größten und innovativsten Markt der Welt. Damit hat sie einen Wachstums- und Ertragstreiber, der allen anderen europäischen Schwergewichten der Branche fehlt. Die T-Aktie hat unter Höttges Führung insgesamt rund 80% an Wert gewonnen, während der Stoxx Telecommunications Europa 35% zurückgefallen ist.

„Widersprecht mir!“

Kaum eine Transaktion sagt mehr über die Beharrlichkeit, den unbedingten Durchsetzungswillen und die Unbeirrtheit, die Höttges als CEO zweifellos auszeichnen. Letzteres schafft dem als leidenschaftlicher Zahlenmensch geltenden Diplom-Kaufmann nicht nur Freunde. Obwohl von seinem Weggefährten und Vertrauten Thorsten Langheim, Vorstand USA und Unternehmensentwicklung, seine Aufforderung „Widersprecht mir!“ überliefert ist, hört Höttges Mitarbeitern zufolge Widerspruch gar nicht gern. Auf Kritik wie die, dass er die gesamte Telekom (noch immer) als Anhängsel des Finanzressorts führe, reagiert er ungehalten. Der Konzernchef bezeichnete das Unternehmen indes mitunter bereits stolz als „M&A-Maschine“ und ließ damit erkennen, dass eine solche Portfolioarbeit für ihn mindestens so wichtig ist wie operative Erfolge. Seine Handschrift tragen der Rückzug aus europäischen Beteiligungen in Großbritannien und den Niederlanden sowie Verkäufe mit glanzvollen Multiples wie der der Scout-Gruppe.

Fehlstart als Finanzchef

Der 61-Jährige, der vom damaligen Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick im Jahr 2000 zu T-Mobile Deutschland geholt wurde, blickt sowohl auf Stationen mit Finanzverantwortung als auch auf operative Positionen wie die des Deutschlandchefs im Konzern zurück. Diese Aufgabe übernahm er Ende 2006, als René Obermann den glücklosen Kai-Uwe Ricke an der Konzernspitze ablöste und Höttges mit dem Turnaround des kriselnden Deutschlandgeschäfts betraute, bevor er 2009 die Nachfolge von Eick als Finanzvorstand antrat. In dieser Rolle legte er zunächst einen Fehlstart hin, als die T-Aktie nach wenigen Woche im Zuge einer Gewinnwarnung an einem Tag 10% verlor und ein Tief von 8,66 Euro markierte. Die Einführung eines dreijährigen Dividendenversprechens mit einem gleichlaufenden Turnus von Kapitalmarkttagen trug danach maßgeblich dazu bei, seine Reputation in der Community wiederherzustellen.

Favorit Gopalan

Nach zehn Jahren an der Spitze steht Höttges ohne Zweifel auch auf dem Gipfel seiner Macht. Er würde sich selbst nicht treu bleiben, wenn er nicht auf die Regelung seiner Nachfolge Einfluss nehmen würde. Deutschlandchef Srini Gopalan gilt als sein Favorit. Der 53-Jährige hat bisher das geschafft, was seine beiden Vorgänger Niek Jan van Damme und Dirk Wössner nicht geschafft haben. Beiden gelang es nämlich nicht, die Telekom Deutschland zur Zufriedenheit von Höttges zu führen. Er ließ sie feuern. Womöglich denkt der Konzernchef doch nicht, dass die Telekom ein Anhängsel des Finanzressorts ist.