Inflation

Undankbarer Job für neuen Chefstatistiker der Türkei

Auf 48,7 % ist die Inflation in der Türkei demnach im Januar gesprungen. Das ist noch etwas mehr als befürchtet – und nicht die letzte schlechte Nachricht, die Erhan Cetinkaya in Sachen Teuerung zu vermelden haben wird.

Undankbarer Job für neuen Chefstatistiker der Türkei

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Die ersten Verlautbarungen des neuen Chefs der türkischen Statistikbehörde Turkstat waren noch erfreulich gewesen: Zu Wochenbeginn durfte der bisherige Bankenaufseher Erhan Cetinkaya in neuer Rolle verkünden, dass sich die Einnahmen der Tourismusindustrie im abgelaufenen Jahr nach dem Coronaeinbruch 2020 glatt verdoppelt haben und Kurs auf das Vorkrisenniveau nehmen. Auch blüht das Exportgeschäft. All das verblasst allerdings gegen jene Zahl, die Turkstat am Donnerstag veröffentlichte: Auf 48,7% ist die Inflation in der Türkei demnach im Januar gesprungen. Das ist noch etwas mehr als befürchtet – und nicht die letzte schlechte Nachricht, die Cetinkaya in Sachen Teuerung zu vermelden haben wird.

Der bisherige Vizechef der Bankenaufsicht hat am Wochenende den wohl undankbarsten Job in der Türkei übernommen: Seine Behörde wird auf Monate hinaus Inflationsraten um die 50% oder sogar darüber vermelden müssen. Grund sind das nach Ansicht von Beobachtern schädliche Zinssenkungsdiktat Erdogans, dem die Zentralbank bereitwillig nachkommt, und der Absturz der Landeswährung Lira, der nun für stark steigende Importpreise sorgt. Zudem muss Cetinkaya den ramponierten Ruf der Statistikbehörde reparieren: Von Seiten der Opposition und unabhängiger Experten häuften sich zuletzt Vorwürfe, die Statistikbehörde schöne die Inflation trotz der ohnehin hohen Werte sogar noch – was Erdogan angesichts heftiger Proteste gegen die Geldentwertung in die Hände spielen würde.

Was die Regierung bewogen hat, Cetinkayas Vorgänger Sait Erdal Dincer­ (nebenstehendes Bild) nach weniger als einem Jahr aus dem Amt zu entlassen, bleibt unklar. Der Wechsel an der Spitze der Statistikbehörde war am Wochenende ohne viel Aufhebens im Amtsblatt verkündet worden. Er zeigt jedenfalls einmal mehr, wie Erdogan durch die Lirakrise laviert und dafür auch immer wieder willkürlich Posten an Schaltstellen um­besetzt. Mehrmals tauschte er seit der vorangegangenen Lirakrise im Sommer 2018 und dem damit einhergehenden Inflationsschub die Chefs von Notenbank und Finanzministerium aus. Infolgedessen sind zentrale Ämter mehr denn je mit Gefolgsleuten besetzt, die Erdogans Politik quasi gar nicht mehr infrage stellen – was im Ergebnis nun geradewegs in eine noch viel heftigere Inflations- und Währungskrise geführt hat.

Parallel zur Statistikbehörde hat auch das Justizministerium einen neuen Chef bekommen. Auch dafür lieferte die Regierung keine Begründung. Womöglich will Erdogan schlicht Handlungsfähigkeit beweisen und die Kritik der Opposition parieren. „Das Statistikbüro ist eine Institution des Palastes geworden“, kritisierte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP, nachdem ihm vor einigen Wochen der Zutritt zur Behörde verweigert worden war.

Der neue Chefstatistiker Cetinkaya war bislang nicht für die Behörde tätig. Er stand von 2005 an in Diensten der türkischen Bankenaufsicht BRSA, wo er im Dezember 2019 zum Vizechef aufstieg. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die BRSA vertrat er die Türkei in Arbeitsgruppen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht.

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