EU-Kommissionspräsidentin

Ursula von der Leyen übersteht den nächsten Angriff

378 beziehunsgweise 383 Abgeordnete haben sich bei zwei Misstrauensvoten hinter EU-Kommissiosnchefin Ursula von der Leyen gestellt - mehr als im Juli, aber weniger als bei ihrer Wahl im vergangenen Herbst.

Ursula von der Leyen übersteht den nächsten Angriff

Ursula von der Leyen
übersteht den nächsten Angriff

Von Detlef Fechtner, Berlin

Das Schweigen spricht Bände. Am Donnerstag Nachmittag sah sich nur eine sehr überschaubare Zahl von Europaabgeordneten veranlasst, eine Presseerklärung nach dem nächsten gescheiterten Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen zu veröffentlichen. Und das, obwohl sich EU-Parlamentarier oft genug bei wesentlich unbedeutenderen Anlässen zu Wort melden.

Das mag daran liegen, dass sich der Ausgang des Misstrauensvotums wohl am besten mit der in Doppelkopf-Runden verbreiteten Formel für ein mäßig-durchschnittliches Blatt beim Kartenspiel beschreiben lässt: „mittelhochtief“. Zwei Mal wurde in Straßburg abgestimmt – zum einen auf Antrag der rechtsextremen Parteienfamilie „Patrioten für Europa“, zum anderen auf Initiative der Linken. Das Misstrauensvotum von Rechtsaußen unterstützten 179 Abgeordnete, während sich 378 Abgeordnete hinter von der Leyen stellten. Dem Antrag der europäischen Linken folgten 133 EU-Parlamentarier, 383 Parlamentarier stimmten für einen Verbleib von der Leyens im Amt.

Den radikalen politischen Kräften ist es somit nicht gelungen, eine Stimmungswelle gegen von der Leyen loszutreten, die in nennenswertem Maße Politiker der politischen Mitte mitreißt. So liefen in Brüssel Gerüchte um, die Linken hätten sich die Marke von 200 Stimmen gegen „vdL“ intern zum Ziel gesetzt.

Andererseits haben auch die Konservativen keinen Grund zur Feier. Die Zahl der Unterstützer liegt zwar klar oberhalb der 360 Stimmen für die EU-Kommissionspräsidentin, die sie im Juli beim ersten Misstrauensvotum gegen sie hinter sich vereinen konnte. Aber andererseits haben eben auch nicht alle 401 Parlamentarier für sie votiert, die sie im vergangenen Herbst bei ihrer Wahl unterstützt haben. Zudem wurde das Misstrauensvotum von Mahnungen begleitet. So zitiert der Mediendienst „Politico" den deutschen Sozialdemokraten René Repasi mit der sanften Drohung, von der Leyen „muss liefern“, sonst könne es „in Zukunft“ einen Misstrauensantrag der Sozialdemokraten geben. Und Repasi signalisierte dabei auch, dass er dabei nicht über Sankt Nimmerlein nachdenke, sondern dass sich die zweitgrößte Fraktion des EU-Parlaments bereits in sechs Monaten überlegen werde, wie zufrieden sie dann mit der EU-Kommissionspräsidentin seien.

Unterschiedliche Vorbehalte

Der aktuelle Unmut, der von der Leyen im EU-Parlament begegnet, hat sehr unterschiedliche Wurzeln. Viele Sozialdemokraten verdrießt, dass die Europäische Volkspartei, also Konservative und Christdemokraten, nicht allein regelmäßig damit drohen, sich eine Mehrheit für bestimmte Entscheidungen zu sichern, indem sie mit den Parteien rechts der Mitte stimmen, sondern dies auch in einigen wenigen Dossiers auch tatsächlich schon getan haben. Die Sozialdemokraten werten das als Vertrauensbruch, schließlich haben die Parteien der politischen Mitte (Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne) eine Art Gentlemen Agreement der Zusammenarbeit.

Die Grünen beäugen die Omnibus-Pakete oder die Verschiebung der Vorgaben gegen eine Entwaldung skeptisch, denn sie werten dies als Rückabwicklung des Green Deal. Nicht unumstritten ist zudem von der Leyens außen- und handelspolitischer Kurs. Der Deal mit US-Präsident Donald Trump in Schottland wird von einigen Kräften im EU-Parlament als Ausdruck diplomatischer Schwäche gewertet – auch wenn die EU-Kommission nicht müde wird zu betonen, dass die EU mehr erreicht habe als die meisten anderen Handelspartner. Und viele Landwirte sehen sich durch die handelspolitsiche Verständigung mit den Mercosur-Staaten bedroht.

Vorbehalte gibt es darüber hinaus in fast allen Fraktionen, sogar bei den Christdemokraten, gegen Initiativen, mit denen von der Leyen mehr Macht innerhalb der EU-Kommission an sich zu ziehen und auch die Stellung der EU-Kommission gegenüber den anderen EU-Institutionen zu stärken versucht. Das kommt längst nicht überall gut an.