Ceconomy-Chef

Wildberger hat verkaufswillige Aktionäre im Nacken

Die öffentliche Diskussion über den Einstieg von JD.com bei Ceconomy hätte Vorstandschef Karsten Wildberger sicher nicht auch noch gebraucht. Die Herausforderungen für die Obergesellschaft von Media Markt und Saturn sind bereits gewaltig.

Wildberger hat verkaufswillige Aktionäre im Nacken

Verkaufswillige Aktionäre im Nacken

Von Annette Becker, Düsseldorf

Die öffentliche Diskussion über den Einstieg des chinesischen Onlinehändlers JD.com in das Aktienkapital von Ceconomy hätte Vorstandschef Karsten Wildberger sicher nicht auch noch gebraucht. Die Herausforderungen für die Obergesellschaft der Elektronikhandelsketten Media Markt und Saturn sind auch ohne Änderungen im Eigentümerkreis gewaltig. Wildberger, der seit August 2021 an der Spitze von Ceconomy steht, war geholt worden, um den seit Jahren darbenden Händler von Unterhaltungselektronik in die Erfolgsspur zurückzubringen. In Personalunion lenkt der Manager auch die Geschicke der Media-Saturn-Holding (MSH).

Neuanfang in Person

Damit stand und steht der promovierte Physiker symbolisch für den Neuanfang, hatten sich seine Vorgänger doch in Grabenkämpfen zwischen Ingolstadt und Düsseldorf verstrickt und dabei das operative Geschäft aus den Augen verloren. Historisch bedingt befindet sich der Sitz der MSH und damit das operative Geschäft in Ingolstadt, während die aus der Metro hervorgegangene Ceconomy in Düsseldorf residiert. Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen kam letztlich erst im Frühjahr 2021 mit dem Wechsel an der Aufsichtsratsspitze von Jürgen Fitschen auf Thomas Dannenfeldt Bewegung in das Führungsvakuum.

Mit der Wahl an die Spitze des Kontrollgremiums dürfte dem einstigen Finanzchef der Deutschen Telekom schnell klargeworden sein, wie es um Ceconomy steht; zumal die Corona-Pandemie die Transformation des Geschäftsmodells wenn nicht vereitelt, so doch zumindest stark verzögert hatte. Da traf es sich gut, dass Wildberger, der zu dieser Zeit noch im Vorstand von Eon saß, wechselwillig war. Denn im Rennen um die Nachfolge an der Eon-Konzernspitze hatte Wildberger den Kürzeren gezogen. Mit einem millionenschweren Begrüßungsgeld zum Ausgleich für den bis Juli 2028 laufenden Eon-Vertrag wurden sich Aufsichtsrats- und designierter Vorstandschef schnell einig.

International erfahren

Mit Vorschusslorbeer wurde nicht gegeizt. Inthronisiert als „international erfahrener Manager, der die notwendige Erfahrung im operativen Vertrieb, digitalen Transformationsprozessen und eine klare Kundenfokussierung mitbringt“, war jedem klar, dass der 54-Jährige als Sanierer antrat. Doch auch Wildberger musste schnell lernen, dass sich Versäumnisse einer Dekade nicht in wenigen Monaten aufholen lassen. Sprach er im Dezember 2021 noch davon, dass Ceconomy „den Härtetest bestanden“ habe, hatte ihn die Realität ein Jahr später eingeholt. Mit einer Nettoverschuldung von 2 Mrd. Euro und einer mickrigen Eigenkapitalquote von 5,9% zum Ende des Geschäftsjahres 2021/22 waren keine großen Sprünge zu machen.

Von seinem Vorgänger Bernhard Düttmann hatte Wildberger auch Mittelfristziele geerbt, die sich als unrealistisch entpuppten. Daher nutzte der einstige Unternehmensberater den Kapitalmarkttag im Juni dieses Jahres, um die Investoren auf neue, realistische Ziele einzuschwören. Anders als in der Vergangenheit versprach das neue Vorstandsgespann – seit Februar dieses Jahres ist mit Kai-Ulrich Deissner auch ein neuer Finanzchef an Bord – dabei nicht das Blaue vom Himmel, sondern überzeugte mit einer konservativen, aber realistischen Planung.

Solide, aber weniger fancy

Solidität und Seriosität sind es denn auch, was Wildberger in seinem Auftreten darstellt. Wenngleich er den Berater-Habitus beibehalten hat, verkneift er sich meist den Griff in die Wortkiste der Superlative. Vielmehr setzt der Manager selbstbewusst auf seinen profunden Erfahrungsschatz. Nach seinem Berufseinstieg bei der Boston Consulting Group hatte er sich schnell auf die Telekommunikationsbranche eingeschossen, in der er zwischen 2003 und 2016 bei T-Mobile, Vodafone und Telstra in verschiedenen Positionen tätig war. Dass es ihm an Handelsexpertise mangelt, macht der Manager durch seine breite Expertise in Transformationsprozessen wett.

Kursdebakel

Wildberger hat vieles richtiggemacht und wurde dafür im Juli mit der Vertragsverlängerung bis 2028 belohnt. Noch ist es sicherlich zu früh, die erfolgreiche Transformation zu bejubeln. Zumindest aber gibt es erste Anhaltspunkte dafür, dass der eingeschlagene Weg ans Ziel führt.

Die Transformation zu Ende zu führen, dürfte dem ehrgeizigen Manager eine Herzensangelegenheit sein. Von daher kommt die Spekulation um ein Übernahmeinteresse seitens JD.com zur Unzeit, auch wenn sich Ceconomy dazu nicht äußert. Es ist sicherlich nicht Wildbergers Verschulden, dass ausgerechnet der Traditionskonzern Haniel verkaufswillig ist. Der Familienkonzern ist einer der Gründungsaktionäre der Metro, aus der Ceconomy 2017 letztlich hervorging.

Allerdings rächt sich jetzt, dass es dem Digitalisierungsexperten bislang nicht gelungen ist, den Kursverfall der Aktie zu stoppen. Zu seinem Amtsantritt im August 2021 notierte der SDax-Wert noch bei gut 4 Euro, heute sind es 2,28 Euro. Ohne den Kurssprung, den die Übernahmefantasie auslöste, fiele die Bilanz noch magerer aus. Am 18. Dezember hat Wildberger die Chance, den Kurs mit geschäftlichen Erfolgen zu befeuern, dann wird Bilanz gezogen über das im September abgelaufene Geschäftsjahr.

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