Giancarlo Giorgetti

Italiens Finanzminister gewinnt das Vertrauen der Märkte

Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti hat Italien hoffähig gemacht. Der Minister gilt als pragmatisch, ist aber auch EU-kritisch und staatsinterventionistisch.

Italiens Finanzminister gewinnt das Vertrauen der Märkte

Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti

Italiens Kämpfer für
ökonomische Vernunft

Finanzminister Giorgetti gilt als Stabilitätsanker in Italiens Regierung

Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand

Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti (58) gilt als Vertreter der ökonomischen Vernunft in der rechtsnationalen italienischen Regierung. Er hat wesentlich dazu beigetragen, das hoch verschuldete Land von einer Art Paria zum derzeit hoch geachteten Mitglied der EU zu machen. Der Zinsabstand (Spread) etwa zu deutschen Zehnjahresanleihen ist auf zeitweise unter 80 Basispunkte gesunken, sodass sich Rom inzwischen auf dem Niveau von Paris refinanziert. Der Schuldendienst in den Jahren 2025 und 2028 sinkt damit gegenüber ursprünglichen Prognosen um 13 Mrd. Euro. Und das Staatsdefizit dürfte in diesem Jahr auf unter 3% fallen. Die Ratingagenturen haben die Bewertung für Italien deshalb zuletzt angehoben.

Steile Karriere

Giorgetti, Sohn eines Fischers und einer Arbeiterin aus einem kleinen Ort am norditalienischen Lago di Varese, ist jedoch durchaus ein typischer Vertreter der nationalistischen Lega unter dem Parteivorsitzenden Matteo Salvini. In seiner Jugend gehörte er der neofaschistischen Partei MSI an. In den 90er-Jahren wechselte der Steuerfachmann und Rechnungsprüfer, der an der Mailänder Universität Bocconi Betriebswirtschaft studiert hat, zu Lega. Dort machte er eine steile Karriere und ist stellvertretender Generalsekretär. Er bekleidete verschiedene Ministerposten. Unter Mario Draghi war er 2021/2022 Industrieminister. Seit 2022 ist er Finanzminister.

Er vertritt protektionistische Positionen und steht für eine Regierung, die ihren Einfluss auf die Wirtschaft mit der Golden-Power-Regelung massiv ausgeweitet hat. So verhinderte Rom die Übernahme der BPM durch Unicredit und zog, zusammen mit den regierungsnahen Unternehmern Caltagirone und der Holding Delfin, die Fäden bei der Übernahme der Mediobanca durch die teilstaatliche Monte dei Paschi. Auch dass die mehrheitlich staatliche Post größter Aktionär von Telecom Italia wurde, war politisch gewollt.

EU-Kritisch

Der EU steht er kritisch gegenüber – wegen ihrer überbordenden Bürokratie und ihrer aus seiner Sicht zu extremen Umweltpolitik, die die Autoindustrie in die Krise geritten habe, sowie wegen ihrer lange Zeit zu strengen Haushaltspolitik. Und er will die Banken wegen ihrer „Übergewinne“ an der Finanzierung geplanter Steuersenkungen für die Mittelklasse beteiligen. Ein ähnliches Vorhaben musste 2023 nach heftigen Börsenreaktionen zurückgezogen werden, weil die Aktienkurse massiv einbrachen. Das soll diesmal möglichst verhindert werden.

Giorgetti ist Pragmatiker. Mit der Reduzierung der Schulden um 20 Basispunkte sammelte er Punkte. Zuletzt sind die Schulden aber wieder gestiegen, auch wegen der massiven Hilfen für die ökologische Sanierung von Gebäuden, die Rom rund 200 Mrd. Euro kosteten. Und dass Italien nach der Corona-Krise stärker als andere Länder gewachsen ist, liegt vor allem an den etwa 200 Mrd. Euro, die das Land im Rahmen des EU-NextGeneration Programms erhielt: Geld, das das europakritische Rom gern nahm. Doch die Wachstumsraten sind nun wieder stark gesunken. Für dieses Jahr wird nur ein Plus von 0,5% prognostiziert.

Hoffnung auf Impulse

Mit 135% des Bruttoinlandsprodukts bleibt Italien das am zweithöchsten verschuldete Land der EU. Rom und Giorgetti hoffen nun auf Impulse aus dem riesigen deutschen Infrastruktur- und Rüstungsprogramm auch für die italienische Wirtschaft.