Erklärung von innovationsgetriebenem Wirtschaftswachstum

Wirtschaftsnobelpreis für Mokyr, Aghion und Howitt

Für ihre Erklärung von innovationsgetriebenem Wirtschaftswachstum werden die drei Ökonomen Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt mit dem Wirtschaftsnobelpreis geehrt.

Wirtschaftsnobelpreis für Mokyr, Aghion und Howitt

Wirtschaftsnobelpreis für Mokyr, Aghion und Howitt

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Technologischer Fortschritt und schöpferische Zerstörung sorgen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum – sofern die Gesellschaft offen für neue Ideen ist und Veränderungen zulässt. Für ihre Erklärung von innovationsgetriebenem Wirtschaftswachstum bekommen die drei Ökonomen Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt den Wirtschaftsnobelpreis, wie die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm mitteilte. Dabei wird der mit 11 Mill. skr (rund 950.000 Euro) dotierte Preis geteilt: Eine Hälfte geht an den israelisch-amerikanischen Wirtschaftshistoriker Mokyr, die andere Hälfte gemeinsam an den Franzosen Aghion und den Kanadier Howitt.

„Die Arbeit der Preisträger zeigt, dass Wirtschaftswachstum keine Selbstverständlichkeit ist. Wir müssen die Mechanismen der schöpferischen Zerstörung aufrechterhalten, damit wir nicht wieder in die Stagnation zurückfallen“, sagt John Hassler, Vorsitzender des Komitees für den Wirtschaftsnobelpreis. Die Preisträger würden auf unterschiedliche Weise zeigen, wie kreative Zerstörung Konflikte schafft, die konstruktiv bewältigt werden müssen. Andernfalls würden Innovationen durch etablierte Unternehmen und Interessengruppen blockiert, die dadurch benachteiligt werden könnten.

Der in den Niederlanden geborene Mokyr erkläre anhand historischer Quellen, warum anhaltendes Wirtschaftswachstum in den vergangenen knapp zwei Jahrhunderten mit immer neuen technologischen Innovationen wie neuen Medikamenten, sichereren Autos und nicht zuletzt dem Internet zur neuen Normalität geworden ist, lobte das Preiskomitee. Denn trotz wichtiger Entdeckungen wie etwa der Druckerpresse, die manchmal zu verbesserten Lebensbedingungen und höheren Einkommen führten, stagnierte das Wachstum letztendlich immer.

Für den Fortschritt sei nicht nur wichtig zu wissen, dass es funktioniert, sondern auch warum. Der an der Northwestern University/USA lehrende Mokyr habe die Mechanismen beschrieben, wie sich wissenschaftliche Durchbrüche und praktische Anwendungen gegenseitig verstärken können und einen sich selbst tragenden Prozess schaffen, der zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum führt.

Kreativ und destruktiv zugleich

Aghion und Howitt entwickelten in einem Artikel aus dem Jahr 1992 ein mathematisches Modell für die sogenannte schöpferische Zerstörung: Komme ein neues und besseres Produkt auf den Markt, würden die Unternehmen mit den zuvor besten Produkten vom Markt verdrängt. Die Innovation stelle etwas Neues dar und sei daher kreativ – zugleich aber auch destruktiv. Ein Beispiel, so erklärt Komiteemitglied Kerstin Enflo, seien alte Telefone, die von Handys und diese wiederum von Smartphones abgelöst worden seien.

Dieser transformative Prozess der kreativen Zerstörung, in dessen Verlauf Unternehmen und Arbeitsplätze kontinuierlich verschwinden und ersetzt werden, sei der Kern des Prozesses, der zu nachhaltigem Wachstum führe: Ein Unternehmen, das eine Idee für ein besseres Produkt oder eine effizientere Produktionsmethode hat, könne andere ausstechen und Marktführer werden – und setze so wiederum einen Anreiz für weitere Verbesserungen. Aghion, Professor am Collège de France und Insead sowie an der London School of Economics and Political Science, und der an der Brown University/USA lehrende Howitt haben das erste makroökonomische Modell für schöpferische Zerstörung mit allgemeinem Gleichgewicht vorgestellt: Denn das Geld für Investitionen in Forschung und Entwicklung stammt aus den Ersparnissen der privaten Haushalte. Die Höhe der Ersparnisse hängt vom Zinssatz ab, der wiederum vom Wirtschaftswachstum beeinflusst wird. Produktion, Forschung und Entwicklung, Finanzmärkte und private Ersparnisse seien daher eng miteinander verknüpft und könnten nicht isoliert betrachtet werden, so Enflo.

Die Ansätze der drei Ökonomen seien unterschiedlich, sagte Enflo, sie behandelten aber im Grunde dieselben Fragen und Phänomene und ergänzten sich. Die Arbeit der Preisträger zeige auch, „dass wir uns der Bedrohungen für weiteres Wachstum bewusst sein und ihnen entgegenwirken müssen“. Diese Bedrohungen können von der Marktdominanz einiger weniger Unternehmen, Einschränkungen der akademischen Freiheit, regionaler statt globaler Wissensverbreitung und Blockaden durch potenziell benachteiligte Gruppen ausgehen.

Mahnung für Offene Märkte

Zu den Bedrohungen gehörten durchaus auch die von US-Präsident Donald Trump in den vergangenen Monaten aufgebauten Zollbarrieren und die Trends zur Deglobalisierung: „Diese Dinge sind Hindernisse für das Wachstum, weil man einen großen Markt braucht, um weiter zu wachsen“, sagte der per Telefon zugeschaltete Aghion, auch wenn er Trump nicht namentlich nannte. „Offenheit ist ein Wachstumstreiber. Und alles, was der Offenheit im Weg steht, ist ein Wachstumshemmnis.“

Zugleich müsse man in Europa erkennen, dass man den USA und China nicht länger die technologische Führung überlassen dürfe. Die „fantastische Grundlagenforschung in Europa“ müsse auch in bahnbrechende Innovationen umgewandelt werden, mahnte der Franzose.

Kein klassischer Nobelpreis

Der Wirtschaftsnobelpreis geht im Gegensatz zu den klassischen Nobelpreisen nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833 bis 1896) zurück, sondern wurde von der Riksbank erst 1968 anlässlich ihrer 300-Jahr-Feier gestiftet. Daher heißt er auch nicht offiziell Nobelpreis, sondern „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel“. Verliehen wird er aber zusammen mit den traditionellen Nobelpreisen am Todestag Nobels, dem 10. Dezember.

Erst ein deutscher Preisträger

Im vergangenen Jahr erhielten Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson den Wirtschaftsnobelpreis für die Untersuchung der Wohlstandsunterschiede zwischen den Nationen. Von den mittlerweile 57 Auszeichnungen gingen 26 an Einzelpersonen, 20 an zwei Preisträger und elfmal teilten sich drei Personen den Wirtschaftsnobelpreis. Jüngste aller Laureaten war die damals 46-jährige Esther Duflo. Sie ist nach der 2009 ausgezeichneten Elinor Ostrom die zweite Frau, die den Preis erhielt – und die Erste, die zusammen mit ihrem Ehemann geehrt wurde. Duflo erhielt 2019 zusammen mit Abhijit Banerjee den Nobelpreis. 2007 war Leonid Hurwicz mit 90 Jahren der insgesamt und über alle Kategorien hinweg Älteste, der je mit einem Nobelpreis geehrt worden war − den aktuellen Rekord mit 97 Jahren hält John B. Goodenough (Chemie, 2019). Der bislang einzige deutsche Preisträger ist der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten, der 1994 zusammen mit John Nash und John Harsanyi für ihre Beiträge zur nicht-kooperativen Spieltheorie ausgezeichnet wurde.

2024 Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson
2023 Claudia Goldin (USA) für die Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt
2022 Ben Bernanke (USA), Douglas Diamond (USA) und Philip Dybvig (USA) für ihre Erforschung von Banken und Finanzkrisen
2021 David Card (Kanada/USA) für seine empirischen Beiträge zur Arbeitsökonomie sowie Joshua D. Angrist (USA) und Guido W. Imbens (Niederlande/USA) für ihre methodischen Beiträge zur Analyse kausaler Zusammenhänge
Die Preisträger der vergangenen Jahre