Greensill Bank

Rating mit Geschmäckle

Der Aktionsradius von Maurice Thompson, Aufsichtsratschef der Greensill Bank, wirft Fragen auf: Der Manager sitzt im Advisory Board der Ratingagentur Scope, welche der Bremer Bank bis zum von der BaFin verhängten Moratorium Mitte vergangener Woche ein Investment-Grade-Rating zuerkannt hat.

Rating mit Geschmäckle

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Nach dem über die Bremer Greensill Bank verhängten Moratorium rücken deren Aufsichtsratschef Maurice Thompson sowie die Ratingagentur Scope in den Blickpunkt: Wie die Website von Scope zeigt, sitzt Thompson im Advisory Board der Berliner Bonitätswächter. Diese hatten der von Thompson kontrollierten Greensill Bank ein Investment-Grade-Rating von „BBB+“ zuerkannt, bis die Finanzaufsicht Mitte vergangener Woche die Bank für den Publikumsverkehr schloss. Auch vor dem Hintergrund des freundlich wirkenden Ratings wirft dies Fragen auf, etwa nach einem Zusammenhang zwischen Bonitätsnote und Thompsons Tätigkeit im Beratungsgremium, entsprechenden Interessenkonflikten und deren Management, nach Thompsons Vergütung durch Scope bzw. Sonderkonditionen bei Erteilung des Rating-Mandats oder anderer Absprachen.

Scope ließ diese Fragen am Montag, einem Feiertag in Berlin, auf Anfrage unbeantwortet und teilte mit, das Scope Advisory Board fungiert als Industrie-Beirat der Scope Group, seine Mitglieder seien gemäß Satzung „keine gesetzlichen Organe und keine Funktionsträger der Scope Group und/oder anderer Unternehmen der Scope Group“, und potenzielle Interessenkonflikte steuere man in Übereinstimmung mit der entsprechenden Regulierung. Die EU-Verordnung über Ratingagenturen legt unter anderem fest: „Eine Ratingagentur unternimmt alle erforderlichen Schritte, um sicherzustellen, dass die Abgabe eines Ratings nicht von bestehenden oder potenziellen Interessenkonflikten oder Geschäftsbeziehungen der Agentur selbst, ihrer Geschäftsleitung, ihrer Ratinganalysten, ihrer Mitarbeiter oder jeder anderen natürlichen Person, deren Leistungen die Ratingagentur in Anspruch nehmen oder die sie kontrollieren kann, oder anderer, über ein Kontrollverhältnis direkt oder indirekt mit ihr verbundener Personen beeinflusst wird.“

Thompson berät Scope seit 2015. Zuvor fungierte der Manager, der Bloomberg zufolge inzwischen als Chairman der Greensill-Bank-Mutter Greensill Capital zurückgetreten ist, als CEO von Citigroup in Deutschland. In den neunziger Jahren war Thompson zudem Global Head of Investment Banking der Deutschen Bank und Mitglied ihres Group Executive Committee. Für Scope droht sich die Episode Greensill Bank zu einem weiteren Reputationsrisiko zu entwickeln. Im vergangenen Jahr hatte das Berliner Landgericht die Agentur im Streit über das Rating einer 60 Mill. Euro schweren Anleihe zur Finanzierung des Luxusdampfers „MS Deutschland“ zu Schadenersatz verurteilt, weil Scope den Bond zu positiv bewertet habe. In der Revision hob das Berliner Kammergericht dieses Urteil im Januar auf und regte einen Vergleich an.

Die Greensill Bank äußert sich auf Anfrage nicht zur Rolle ihres Aufsichtsratschefs. Vor wenigen Tagen hatte bereits Aufsichtsrat Eberhard Kieser von sich reden gemacht. Der hatte bis 2014 ein Vierteljahrhundert im Vorstand des Prüfungsverbands deutscher Banken gewirkt, bevor er 2017 in den Aufsichtsrat der nun havarierten Bank einzog. Die britische Greensill Capital hat am Montag Insolvenz angemeldet.