Benjamin Jahn

„Arbeitgeber muss einstehen“

Der Fachanwalt Benjamin Jahn von der Kanzlei Noerr erläutert ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Inflationsausgleich für Betriebsrenten.

„Arbeitgeber muss einstehen“

Herr Jahn, das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein bemerkenswertes Urteil zum Inflationsausgleich für Betriebsrenten gefällt. Worum geht es?

Das Bundesarbeitsgericht hatte zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber die von einer Pensionskasse gezahlten Leistungen inflationsbedingt selbst erhöhen muss, wenn die Pensionskasse keine oder nur unzureichende Leistungserhöhungen vornimmt. Ar­beitgeber sind verpflichtet, alle drei Jahre zu prüfen, ob die Betriebsrenten inflationsbedingt erhöht werden müssen. Es gibt mit der Es­cape-Klausel eine Ausnahme, über die das Gericht entschieden hat. Hierbei verwendet die Pensionskasse ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen.

Wie ist das Urteil ausgefallen?

Das BAG hat entschieden, dass Arbeitgeber auch für Anpassungstermine vor dem 1.1.2016 von einer Ausnahmevorschrift des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung profitieren können.

Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber?

Die Entscheidung gibt Arbeitgebern Rechtssicherheit zum zeitlichen Anwendungsbereich der Escape-Klausel sowie zu einem bestimmten Tarif des BVV Versicherungsvereins des Bankgewerbes aG. Die Anwendbarkeit der Escape-Klausel hängt vom konkreten Tarif ab, und vor zwei Jahren hatte das BAG für dieselbe Pensionskasse entschieden, dass ein anderer Tarif wegen unpassender Überschussverwendung die Voraussetzungen der Escape-Klausel nicht erfülle und Arbeitgeber dann selbst zur Rentenerhöhung verpflichtet seien.

Wie sieht es aus, wenn Betriebsrenten von einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung gezahlt werden?

Der Grundsatz der dreijährigen Anpassungsprüfung gilt unabhängig davon, ob die betriebliche Altersversorgung vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung finanziert ist. Arbeitgeber können auch bei Pensionskassen und Direktversicherungen zur Anpassungsprüfung verpflichtet sein. Ob eine Ausnahme gilt, hängt von der konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber ab.

Entsteht für Unternehmen ein Haftungsrisiko?

Auf Unternehmen können unerwartete wirtschaftliche Belastungen zukommen, wenn eine Pensionskasse nicht sämtliche Überschüsse des Rentenbestandes zur Erhöhung von Rentenleistungen verwendet. Häufig wird das Thema der Überschussverwendung bei der Einrichtung eines Versorgungssystems gar nicht richtig beachtet oder Unternehmen verlassen sich darauf, dass der Versorgungsträger das schon richtig machen werde. Das ist zu kurz gegriffen, denn die Verfahren beim BAG zeigen, dass Versorgungsberechtigte mittlerweile auch solche Themen hinterfragen und nicht alle Tarife der Versorgungsträger offenbar die Voraussetzungen der Escape-Klausel erfüllen.

Was empfehlen Sie Firmen, die Betriebsrenten zusagen?

Es ist leider noch immer ein verbreiteter Irrglaube vieler Unternehmen, dass der Arbeitgeber bloße Zahlstelle für Versicherungsbeiträge ist. Hinter jedem Betriebsrentensystem steht eine Zusage des Arbeitgebers gegenüber seinen versorgungsberechtigten Arbeitnehmern, gewisse Versorgungsleistungen zu erbringen. Der externe Versorgungsträger erfüllt lediglich das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers. Wenn aber der Versorgungsträger nicht oder unzureichend leistet, muss dafür der Arbeitgeber einstehen. Lediglich bei der reinen Beitragszusage muss der Arbeitgeber nur Beiträge entrichten. Reine Beitragszusagen sind aber am Markt bislang nicht verbreitet.

Was bedeutet das?

Ich rate meinen Mandanten daher, ihre Betriebsrentensysteme auf wirtschaftliche Risiken zu überprüfen und bei der Einrichtung von Versorgungssystemen sehr sorgfältig vorzugehen. Bei den vermeintlich einfachen Versorgungssystemen ist nicht nur die Auswahl des richtigen Versorgungsträgers entscheidend, sondern auch eine genaue Auswahl der angebotenen Tarife.

Dr. Benjamin Jahn ist Partner von Noerr in München und Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Die Fragen stellte Helmut Kipp.