GastbeitragÜbertragung von Wirtschaftsgütern

Urteil erleichtert Umstrukturierungen

Das Bundesverfassungsgericht klärt eine seit über einem Jahrzehnt unbeantwortete Grundsatzfrage zur Besteuerung von Personengesellschaften.

Urteil erleichtert Umstrukturierungen

Verfassungsgericht klärt Grundsatzfrage
zur Besteuerung von Personengesellschaften

Gesetzgeber muss Übertragung von Wirtschaftsgütern neu regeln

Von Daniel Dreßler *)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem am 12. Januar 2024 veröffentlichten Beschluss (2 BvL 8/13) eine seit über einem Jahrzehnt offene Grundsatzfrage zur Personengesellschafts-Besteuerung beantwortet. Darin verpflichtet es den Gesetzgeber, die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften neu zu regeln und ergänzt die aktuellen Begünstigungen mit 23 Jahren Rückwirkung – für Übertragungen nach dem 31.12.2000 – um einen bislang verwehrten Weg.

Worum geht es? Die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen erfolgt grundsätzlich zum Verkehrswert, dem sogenannten „gemeinen Wert“. Auf die Differenz zwischen gemeinem Wert und Buchwert, die stillen Reserven, fallen bei der Übertragung Ertragsteuern an, so als wären die Wirtschaftsgüter verkauft worden. Je nach Gesellschaftern der Personengesellschaft beträgt die Steuerlast (bei Kapitalgesellschaften) gut 30% oder (bei natürlichen Personen) bis zu über 50%.

Paragraf 6, Absatz 5 Einkommensteuergesetz (EStG) bildet von diesem Grundsatz eine Ausnahme. Er erlaubt es unter bestimmten Voraussetzungen, Einzelwirtschaftsgüter zwischen den verschiedenen Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen sowie innerhalb einer Mitunternehmerschaft zum Buchwert steuerfrei zu überführen. Sogar einige steuerfreie Übertragungen mit Rechtsträgerwechsel gewährt die Norm.

Dem reinen Wortlaut nach begünstigt sie allerdings nicht die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Personengesellschaften, selbst wenn diese den gleichen Gesellschafter haben.

Ist ein Steuerpflichtiger also 100-Prozent-Kommanditist zweier GmbH & Co. KGs und überträgt zwischen deren Gesamthandsvermögen Wirtschaftsgüter, so sind nach bisheriger Gesetzeslage die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven vollständig aufzudecken und wie oben beschrieben zu versteuern.

Mit Grundgesetz unvereinbar

Das Bundesverfassungsgericht stellt nun fest, dass diese Besteuerung mit dem Grundgesetz unvereinbar, also verfassungswidrig ist. Angesichts der bislang in Paragraf 6, Absatz 5, Satz 3 EStG gewährten Begünstigungen müssten folgerichtig auch Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften steuerneutral zum Buchwert möglich sein.

Die bisherige Benachteiligung derartiger Übertragungen gegenüber den begünstigten Wirtschaftsguttransfers – wie etwa aus dem Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft - verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz: wesentlich Gleiches ist gleich, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Sachlich einleuchtende Gründe für die Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.

Offener Dissens

Über die richtige Beantwortung der Grundsatzfrage bestand zwischen dem I. und dem IV. Senat des Bundesfinanzhofs seit 2010 ein offener Dissens. Es herrschte, mit den Worten des damaligen Vorsitzenden Richters Gosch, „Zoff im BFH“. Sein so betitelter Fachaufsatz gewährte 2010 aufschlussreiche Einblicke. Am Ende haben beide Senate auf ihre Weise Recht bekommen: Zum Ergebnis, dass die Buchwertübertragung möglich sein muss, war seinerzeit bereits der IV. Senat gekommen; die Einschätzung, dass der bisherige Gesetzeswortlaut dies allerdings schlicht nicht hergebe, betonte seinerzeit der I. Senat.

Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet mit seinem 49 Seiten starken Beschluss den Gesetzgeber dazu, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 eine Neuregelung zu treffen und erklärt seine Sicht auf alle seitdem erfolgten Übertragungsfälle für anwendbar. Somit erleichtert es nicht nur künftige Wirtschaftsgutübertragungen zwischen Personengesellschaften, sondern gewährt all jenen, die ihre Verfahren steuerlich offengehalten haben, späte Genugtuung.

Umweg nicht mehr nötig

Die weitere, ebenfalls seit Jahren offene Streitfrage zur richtigen Bewertung bei teilentgeltlicher Übertragung klingt in dem Beschluss dadurch an, dass die Schwester-KGs die Wirtschaftsgüter untereinander zum Buchwert veräußern.

Das Verfassungsgericht geht nicht weiter darauf ein, ob dadurch ein Teil der stillen Reserven aufzudecken sei oder nicht. Verwaltung, sowie I., IV. und X. BFH-Senat schwanken dazu seit Jahren in verschiedenen Abstufungen zwischen Trennungstheorie und Einheitstheorie. Die Begünstigungsnorm erfasst Übertragungen nur, soweit sie unentgeltlich oder gegen Gesellschaftsrechte erfolgen.

Wie dürften Gesetzgeber und Verwaltung nun auf den Beschluss reagieren? Für die Vergangenheit ist der neue Übertragungsweg gesetzt. Die Verwaltung wird voraussichtlich zeitnah einen zustimmenden Erlass veröffentlichen. Für die Zukunft ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber die gebotene Gleichheit durch gesetzlich Kodifikation des neuen Weges statt durch Abschaffung sämtlicher Begünstigungen des Paragraf 6, Absatz 5 EStG herbeiführt. Der bisher naheliegende und oft gewählte Umweg über das Sonderbetriebsvermögen dürfte also nicht mehr nötig sein.

*) Dr. Daniel Dreßler (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater/CPA) ist Partner bei Flick Gocke Schaumburg.

Dr. Daniel Dreßler (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater/CPA) ist Partner bei Flick Gocke Schaumburg.