GastbeitragErweiterte US-Regulierung

Das Ende von US-IPOs für europäische Unternehmen?

Die SEC erwägt Neubewertungen des Foreign Private Issuer-Status. Dies könnte ausländische Unternehmen an US-Börsen stark treffen. Für Emittenten und Startups mit US-Börsenplänen droht erheblicher Mehraufwand.

Das Ende von US-IPOs für europäische Unternehmen?

Das Ende von US-IPOs für europäische Unternehmen?

Neubewertung der US Foreign Private Issuer-Definition durch die SEC kann schwerwiegende Folgen haben

Von Henning Bloss und
Jörn Hirschmann*)

Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC hat am 4. Juni 2025 ein Konsultationspapier (sogenanntes „Concept Release“) veröffentlicht, das den Status der „Foreign Private Issuers“ (FPI) unter dem Securities Exchange Act (1934) hinterfragt und eine Einschränkung der bisherigen FPI-Definition zur Diskussion stellt. Entsprechende Änderungen hätten für sämtliche europäischen, an einer US-Börse gelisteten Emittenten genauso gravierende Auswirkungen wie für europäische Startups, deren Exit-Konzept einen US-IPO vorsieht.

Erleichterungen für FPI-Emittenten

Nach US-amerikanischem Recht profitieren ausländische Emittenten von Wertpapieren (Aktien oder amerikanische Hinterlegungsscheine ADRs), die die FPI-Anforderungen erfüllen, bisher von einem erleichterten Zugang zum US-Kapitalmarkt, insbesondere von der Befreiung von bestimmten US-Reporting-, Offenlegungs-, Corporate Governance- und sonstigen Pflichten.

So können FPIs ihre Jahresabschlüsse auf Basis der International Financial Reporting Standards (IFRS) an Stelle von den allgemeinen US-Rechnungslegungsstandards (US-GAAP) aufstellen und sind nicht zu quartalsweisem Reporting verpflichtet. Auch gelten weniger umfangreiche Reporting-Formulare und mehr Flexibilität im Zusammenhang mit der Präsentation von Finanzinformationen.

FPI-Emittenten müssen ihre Jahresberichte erst innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres bei der SEC zur Veröffentlichung einreichen. Zudem unterliegen FPIs nicht den Regeln zur Ad-hoc-Publizität (Regulation Fair Disclosure - Regulation FD) sowie den Bestimmungen zur Offenlegung von Beteiligungen und Geschäften von Directors, Officers und bedeutender Aktionäre. Weitere Erleichterungen betreffen die Proxy Rules für Stimmrechtsvertreter, Insider-Meldepflichten und weitere kapitalmarktrechtliche Restriktionen (wie das Leerverkaufsverbot), die Offenlegung von Vorstandsvergütungen sowie bestimmte Corporate Governance-Anforderungen der NYSE und der Nasdaq.

Diese Ausnahmen beruhten ursprünglich auf der Annahme, dass FPIs in ihren Heimatländern einer umfangreichen Aufsicht unterliegen und daher die Anwendung der gesamten Breite des US-Börsenrechts einer „doppelten Regulierung“ gleichkäme.

Nach der derzeit geltenden FPI-Definition gilt eine ausländische Gesellschaft als FPI, es sei denn: (1.) mehr als 50 % der stimmberechtigten Aktien werden direkt oder indirekt von in den USA ansässigen Personen gehalten (sogenannter „shareholder test“); und (2.) eine der folgenden Voraussetzungen liegt vor (sogenannter „business contact test“): (a.) die Mehrheit der Verwaltungsmitglieder sind US-Staatsbürger oder in den USA ansässig, (b.) mehr als 50 % der Vermögenswerte der Gesellschaft befinden sich in den USA oder (c.) die Geschäfte der Gesellschaft werden hauptsächlich in den Vereinigten Staaten geführt. Der FPI-Status wird einmal jährlich überprüft.

SEC-Konsultationspapier

Nach statistischen Erhebungen der SEC handelte es sich bei FPIs früher vor allem um Emittenten mit Sitz im Vereinigten Königreich sowie in Kanada.

Heute dominieren dagegen Emittenten mit Sitz auf den Cayman Islands (30 % aller FPIs im Jahr 2023), wobei die Unternehmenszentrale zumeist in China zu finden ist. Wirtschaftlich handelt es sich also um chinesische Unternehmen, die in der Regel ausschließlich in den Vereinigten Staaten börsennotiert sind.

Aus Sicht der SEC steht damit aber der ursprüngliche Zweck weiten FPI-Regimes infrage. Dieses fordert bisher zwar formell kein Listing am Heimatmarkt. Wie ausgeführt, sollten ursprünglich aber vorwiegend solche Emittenten privilegiert werden, die über ein Listing auch in ihrem Heimatmarkt verfügten und daher entsprechend umfangreicher Regulierung bzw. Aufsicht unterliegen.

Die SEC sieht den FPI-Status im Gegenteil zunehmend als ein Instrument, das entgegen seiner ursprünglichen Bestimmung zum Unterlaufen einer effektiven Börsenaufsicht missbraucht wird. Durch die Wahl einer Heimatjurisdiktion mit geringen Aufsichtsstandards und den Erwerb des FPI-Status erhielten Unternehmen ohne effektive Beaufsichtigung Zugang zum US-Kapitalmarkt. Daher sieht die SEC ein erhöhtes Risiko für US-Investoren sowie mögliche Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von US-Gesellschaften und FPIs, die einer umfangreichen regulatorischen Aufsicht unterliegen.

Vor diesem Hintergrund sieht das SEC-Konsultationspapier verschiedene Optionen vor, zu denen bis zum 8. September 2025 Stellung genommen werden konnte. Neben einer Anpassung bzw. Erweiterung der bisherigen FPI-Kriterien („shareholder test“ und/oder „business contact test“) wird u.a. überlegt, das Erfordernis eines Zweitlistings einzuführen. Letzteres bedeutet, dass Unternehmen über ein Mindesthandelsvolumen während eines Zwölfmonatszeitraums oder über ein „Hauptlisting“ an einer Nicht-US-Börse verfügen müssen. Als weitere Maßnahme wird diskutiert, den ausländischen Regulierungsrahmen und die ausländische Aufsichtsqualität durch die SEC überprüfen zu lassen. Zudem wird erwogen, ein System gegenseitiger Anerkennung für ausgewählte Nicht-US-Jurisdiktionen zu entwickeln. Schließlich könnten FPIs verpflichtet werden nachzuweisen, dass ihr Satzungs- oder Verwaltungssitz in derselben Jurisdiktion liegt und sie ihrerseits in einer Jurisdiktion beaufsichtigt werden, die das „IOSCO Multilateral Memorandum of Understanding Concerning Consultation and Cooperation and the Exchange of Information“ von 2002 unterzeichnet haben.

Praktische Auswirkungen

Die Tragweite der mit dem Konsultationspapier ins Spiel gebrachten Änderungen ist kaum zu überschätzen. Betroffen sind alle an einer US-Börse gelisteten ausländischen Unternehmen ohne ein Listing im Heimatland sowie Unternehmen, die einen US-Börsengang anstreben, z.B. europäische Startups.

Die SEC selbst schätzt, dass bereits die Einführung eines Zweitlisting-Erfordernisses in Verbindung mit einem 1 %-Mindesthandelsvolumen über einen Zwölfmonatszeitraum zur Folge hätte, dass circa 55 % aller FPIs diesen Status verlieren würden.

Das Ergebnis des Konsultationsverfahrens bleibt abzuwarten. Inzwischen sind zahlreiche Stellungnahmen eingegangen, die auf der Homepage der SEC veröffentlicht wurden. Zudem fand am 18. September 2025 eine öffentliche Panel-Veranstaltung des SEC Investor Advisory Committes satt, in deren Rahmen die in dem SEC Konsultationspapier vom 4. Juni 2025 enthaltenen Überlegungen zu möglichen Änderungen der FPI Definition diskutiert wurden. Die Entscheidungsfindung der SEC nach Abschluss der Konsultation wird, wie üblich, mehrere Monate in Anspruch nehmen, sodass nicht vor Anfang 2026 mit einem Ergebnis zu rechnen ist. Dass das Konsultationspapier aufgrund einstimmiger Entscheidung aller SEC-Commissioners veröffentlicht wurde, deutet allerdings klar in die Richtung einer Verschärfung. Auch die Einzelstellungnahme durch SEC-Commissioner Caroline A. Crenshaw (ebenfalls am 4. Juni 2025 veröffentlicht), die sich als entschiedenes Plädoyer für deutliche Verschärfungen liest, lässt nicht allzu sehr auf Milde hoffen. Sollte sich die SEC für eine Verschärfung entscheiden, wird sie einen entsprechenden Regelungsvorschlag mit der erneuten Möglichkeit zur Stellungnahme veröffentlichen.

Erheblicher Mehraufwand

Deutsche und europäische Emittenten sowie Startups, die einen US-Börsengang planen, sollten die weitere Entwicklung daher genau im Auge behalten und mögliche Optionen prüfen. Aufgrund des Wegfalls des FPI-Status würde die erweiterte US-Regulierung zwar zu erheblichem administrativen Mehraufwand und entsprechenden Kosten führen. Ob dies allerdings ausländische Emittenten zu einem Zweitlistung im Heimartmarkt bewegen wird, ist fraglich, da der hiermit zu erwartende Mehraufwand den mit dem Wegfall des FPI-Status verbundenen Aufwand voraussichtlich erheblich übersteigen würde.

Eine mögliche Folge könnte allerdings sein, dass ausländische Gesellschaften von einem US-Listing von vorneherein Abstand nehmen und auf eine Privatplatzierung nach Rule 144A ausweichen.

*) Dr. Henning Bloss, Dr. Jörn Hirschmann, Partner bei Covington & Burling in Frankfurt

*) Dr. Henning Bloss, Dr. Jörn Hirschmann, Partner bei Covington & Burling in Frankfurt