Das Notariat wird digitaler: AG-Gründung bald online
Das Notariat wird digitaler: AG-Gründung bald online
Das Notariat wird digitaler:
AG-Gründung bald online
Gründung von Aktiengesellschaften ohne persönliche Anwesenheit
Von Martin Eichholz *)
„Zu langsam, zu kompliziert“: Das deutsche Notariats- und Registerwesen gilt vielen Unternehmen seit Langem als zu zeitaufwändig, zu formalisiert und zu wenig international kompatibel. Während Bürger die persönliche Beratung des Notars schätzen, verlangt die Transaktionspraxis digitale Abläufe, die grenzüberschreitend funktionieren. Der neue Entwurf zur Ausweitung notarieller Online-Verfahren setzt hier an.
In einem Spagat zwischen Vereinfachung und Beschleunigung der notariellen Verfahren einerseits und der notariellen Berufung zur Herstellung von Rechtssicherheit andererseits hat der Gesetzgeber – auch auf europäische Vorgaben hin – die Digitalisierung des Notariats in den letzten Jahren vorangetrieben.
Digitalisierung des Notariats
Mit dem DiRUG (2022) und DiREG (2023) hat der Gesetzgeber erstmals Online-Beglaubigungen und -Beurkundungen eingeführt. Registeranmeldungen, Bar- und Sachgründungen einer GmbH sowie deren Kapitalerhöhungen (einschließlich Übernahmeerklärung) und einstimmige Satzungsänderungen können digital erfolgen. Statt dem persönlichen Erscheinen vor dem Notar ist eine Identifikations- und Signaturmöglichkeit über ein speziell gesichertes Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer eröffnet.
Der neue Referentenentwurf knüpft daran an: Er ermöglicht künftig die Online-Gründung einer Aktiengesellschaft, einschließlich Bestellung des Aufsichtsrats sowie die Erteilung digitaler Register- und Übernahmevollmachten.
Die Grundlogik bleibt gleich: Zugelassen werden nur „konsensuale“ Vorgänge, also solche ohne potenzielle Interessenskonflikte. Konsensuale Geschäfte seien, so die Gesetzesbegründung, besonders für Online-Verfahren geeignet, da hier die Belehrungs- und Schutzfunktion des Notars weniger im Vordergrund stehe.
Die Bundesregierung geht mit dem Entwurf einen Weg weiter, der für die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Notar- und Registerwesens notwendig ist. Die Ansprüche, die in Deutschland an Zuverlässigkeit der Register, Schutz vor Geldwäsche und Rechtszugang für alle Bürger gestellt werden, schaffen einen verlässlichen Rahmen, der international seinesgleichen sucht. Dieser Rahmen kann aber nur bestehen, wenn er auf die Bedürfnisse von Bürgern und Unternehmen nach niedrigschwelligem Zugang zur digitalen Lebenswelt eingeht.
Daher ist der vorgelegte Gesetzesentwurf zu begrüßen. Klar ist aber auch, dass sich der Gesetzgeber mit der Erweiterung auf AG-Gründungen und bestimmte Vollmachten eher im bekannten Rahmen vortastet, als das digitale Notariat neu zu denken. Das ist verständlich, bedenkt man das hohe Schutzniveau, das es zu erhalten gilt. Gleichzeitig ist man vom Ziel des Koalitionsvertrages, gerade für den Start-up-Bereich notarielle Vorgänge zu vereinfachen, noch entfernt.
Dort sitzen Investoren oft im Ausland und haben von vornherein keinen Zugang zum notariellen Online-Verfahren. Dieses setzt nämlich – auch für Inländer nicht selbstverständlich – voraus, dass Teilnehmer ein deutsches Ausweisdokument mit aktivierter Online-Funktion oder anerkannte Ausweisdokumente von EU-Mitgliedstaaten und EWR-Vertragsstaaten mit eID (elektronische Identifikationsfunktion) auf dem Sicherheitsniveau „hoch“ haben – das trifft nicht einmal auf alle EU-Staaten zu. Hinzu kommt: Vertretungsnachweise und Existenzunterlagen aus ausländischen Rechtsordnungen sind oft nicht digital verfügbar, da Qualität, Verlässlichkeit und Strukturen der Heimatregister stark variieren.
Vor diesem Hintergrund Prozesse mit ausländischer Beteiligung zu flexibilisieren, ohne das Schutzniveau des deutschen Systems zu senken, wird eine Kernaufgabe der Digitalisierung des Notarwesens sein. Ein erster Schritt wäre eine umfassende Digitalisierung der Register, um Schnittstellen mit ausländischen Registern aus geeigneten Ländern zu eröffnen.
Hohes Schutzniveau
Die Beschränkung auf konsensuale Geschäfte zeigt eine weitere Grenze: Sie behandelt sehr unterschiedliche Szenarien gleich. Der notarielle Schutz- und Belehrungsbedarf beim Erwerb eines Eigenheims durch einen Verbraucher ist nicht vergleichbar mit jenem beim Unternehmenskauf professioneller, anwaltlich begleiteter Investoren.
Langfristig wird eine Regulierung erforderlich sein, die den Graubereich zwischen beiden Extrembeispielen absteckt und getrennte Verfahrensweisen für die unterschiedlichen Bedürfnisse in Verbraucher- und Unternehmenswelt etabliert. Nur so kann die Digitalisierung Effizienzen heben, ohne das hohe Schutzniveau aufzugeben.
Ökonomisch bleibt das Potenzial erheblich: Schnellere Transaktionsabwicklung und effizientere Registerprozesse stärken die Standortattraktivität. Dabei liegen viele Verzögerungen – wie etwa lange Kontoeröffnungsprozesse – außerhalb der notariellen Sphäre. Digitale Notarverfahren entfalten ihre volle Wirkung nur als Teil eines umfassenden Modernisierungskonzepts für Unternehmensgründungen und Transaktionen. Die bisherigen Entwicklungen können nur der erste Schritt sein.
*) Dr. Martin Eichholz, Maître en droit, LL.B., Rechtsanwalt bei CMS am Standort Berlin.
