Auslandsinvestitionen

Eine neue Art der Außenwirt­schaftskontrolle

Die USA wollen Investitionen in bestimmten Ländern genehmigungspflichtig machen. Sie reagieren damit auf Lieferkettenengpässe. Ähnliche Bestrebungen hätten in der EU gute Chancen.

Eine neue Art der Außenwirt­schaftskontrolle

Von Tobias Grau*)

Die Kontrolle von ausländischen Investitionen, sogenannten Inbound Transactions, wurde in den letzten Jahren in Deutschland und der Europäischen Union deutlich verschärft. Aktuell gibt es in den USA gesetz­geberische Bestrebungen für einen nächsten Schritt: Demnach soll künftig, neben der bisherigen klassischen Kontrolle ausländischer Investitionen, auch eine Kontrolle für ausgehende Transaktionen, sogenannte Outbound Transactions, verpflichtend werden.

Das würde bedeuten, dass beispielsweise nicht nur die Beteiligung eines chinesischen Unternehmens an einem US-amerikanischen Unternehmen genehmigungspflichtig wä­re. Fortan müsste umgekehrt auch das Investment eines US-Unternehmens in China behördlich in den USA genehmigt werden.

Ausgehende Transaktionen

Der Hintergrund dieser Bestrebungen liegt mit den pandemiebedingten Lieferengpässen auf der Hand. Diese haben sich durch den aktuellen Ukraine-Krieg noch verschärft. Nachdem hierzulande ähnliche Herausforderungen bestehen, drängt sich die Frage auf, ob diese neue Art der Außenwirtschaftskontrolle ebenfalls ihren Weg nach Europa und Deutschland finden wird. Dies war hinsichtlich des verschärften Investment-Screenings der USA auf europäischer Ebene bereits im Jahr 2019 der Fall.

Die geplante Kontrollmöglichkeit von Outbound-Transaktionen folgt der Empfehlung einer unparteiischen Fachkommission an den amerikanischen Gesetzgeber aus dem Jahr 2021. Demnach soll die Verlagerung wichtiger Lieferketten und Produktionskapazitäten ins Ausland überwacht werden. Der amerikanische Gesetzgeber hat die Kommissionsempfehlung im Zusammenhang mit einem in diesem Jahr geplanten großen Maßnahmenpaket aufgegriffen. Dieses bezweckt insbesondere die Sicherung der US-amerikanischen Wirtschaftskraft. Hintergrund der Neuregelungen war dabei unter anderem die mangelnde Verfügbarkeit von Halbleitern.

Dann würden laut einer Studie allein 43% aller in China getätigten US-amerikanischen Investitionen in­nerhalb der letzten zwei Jahrzehnte unter die weitgefassten Voraussetzungen des Gesetzesvorschlags fallen. Dies entspricht einem Investitionsvolumen von 110 Mrd. Dollar. Die meisten erfassten Transaktionen sind dabei dem Automobil-, Chemie-, Industriemaschinen- und Elektroniksektor zuzuordnen.

Zwei Merkmalen einer Outbound-Transaktion soll nun grundlegende Bedeutung hinsichtlich ihrer Kontrollpflichtigkeit zukommen: dem Staat, in dem das Target seinen Sitz hat, sowie dem betroffenen Tätigkeitsfeld.

Der Gesetzesvorschlag sieht einen enorm weiten Transaktionsbegriff vor. Neben der Verlagerung von Produktion, Betrieb oder Eigentum ist das Outsourcen von Verwaltung und Betrieb erfasst. Auch Investitionen des Unternehmens sowie die Verlegung von Auslieferung und Wartung der Produkte ins Ausland fallen darunter. Dies betrifft, neben dem klassischen Outsourcing, auch M&A-Transaktionen wie Unternehmenskäufe, Carve-outs oder Fusionen. Ziel ist es, die heimische Wirtschaft umfassend vor dem Abfluss wichtiger Bereiche zu schützen. In diesem Sinne ist jede Transaktion kontrollpflichtig, die den Gesetzeszweck bewusst umgeht.

Der Anwendungsbereich des Gesetzesvorschlags erstreckt sich auf „bedenkliche Staaten“, sogenannte Countries of Concern. Dies sind allgemein solche, die über längere Zeit oder durch einen besonders gewichtigen Einzelfall der nationalen Sicherheit der USA schaden könnten.

Aktuell sind neben China Russland, Iran, Nordkorea, Kuba und Venezuela gelistet. Auch Investitionen in sogenannte nichtmarktwirtschaftliche Länder, Non-Market Economies, wie Belarus und Vietnam können überprüft werden. Das für die Kontrolle der Transaktion zuständige Komitee, Committee on National Critical Capabilities, kann die Liste der Länder und damit den Anwendungsbereich bei Bedarf eigenständig anpassen.

In gleicher Weise können zu überprüfende Tätigkeitsfelder definiert werden, wenn diese national kritische Fähigkeiten, sogenannte Na­tional Critical Capabilities, beeinträchtigen. Relevante Sektoren sind beispielsweise Energie, Medizin, Kommunikation, Verteidigung und Ro­botik.

Realistische Erfolgschancen

Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen hat das betroffene Unternehmen das Kontrollkomitee im Falle einer Transaktion zu benachrichtigen. Dieses entscheidet dann innerhalb von 60 Tagen, ob es die Transaktion überprüfen möchte. Der US-Präsident hat dabei das Letztentscheidungsrecht und kann die Transaktion verbieten, aber auch mildere Maßnahmen vorsehen.

Vorbildcharakter

Der bisherige Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens spricht dafür, dass die Kontrolle ausgehender Transaktionen im Grundsatz im Gesetz Einzug finden wird. So sprach sich ein Teil des US-Senats bereits für das große Maßnahmenpaket aus. Auch US-Präsident Biden dringt da-rauf, dass das Projekt seitens des Gesetzgebers zügig umgesetzt wird. Zunehmend geäußerte Bedenken gegenüber den Absichten Chinas befeuern eine steigende Bereitschaft für Maßnahmen wie den aktuellen Gesetzesvorschlag.

In der Vergangenheit war eine Verschärfung der US-Außenwirtschaftskontrolle bei Inbound-Transaktionen bereits ein maßgebliches Vorbild für entsprechende Änderungen in der EU und in Deutschland. Insbesondere während der Amtszeit von US-Präsident Trump führten die Verschärfungen zu einem Anstieg der gemeldeten Transaktionen für den Zeitraum von 2018 bis 2020 um fast 70% im Vergleich zu den Jahren 2013 bis 2015.

Auch in der EU und Deutschland wurde die Problematik ausländischer Beteiligungen an besonders wichtigen Unternehmen erkannt und ist spätestens seit dem Erwerb des Maschinenbau- und Robotikunternehmens Kuka durch ein ausländisches Unternehmen in den Fokus geraten.

Infolge dieser Einflüsse stiegen die nationalen Prüffälle hierzulande von 2017 bis 2020 von 66 auf 159 an. Parallel wurde eine entsprechende Screening-Verordnung der EU er­lassen.

Derzeit treiben die Herausforderungen und Gefahren unterbrochener Lieferketten auch die EU um. Die daraus resultierenden Materialengpässe haben bereits 2021 die deutsche Industrie gebremst und zu einem allgemeinen Preisanstieg geführt. Es ist daher nicht fernliegend, dass hierzulande ein dem US-amerikanischen­ Vorbild entsprechendes Instrumentarium geschaffen wird. Dies ist für die deutsche Wirtschaft im doppelten Sinne von Bedeutung.

Verallgemeinert sich der aktuelle Trend eines nationalen Protektionismus, könnte dies sogar die Erfolgs­aussichten, Schlüsselindustrien wie jüngst in Brandenburg-Grünheide oder Magdeburg anzusiedeln, er­schweren. Vor allem aber wären Akquisitionen, Joint Ventures, Investments oder Outsourcing ganz allgemein in bestimmten Ländern und Regionen von behördlicher Genehmigung abhängig.

Herausforderungen ähnlich

Mit dem Gesetzesvorhaben, auch Outbound-Transaktionen staatlich zu überwachen, beschreitet der amerikanische Gesetzgeber in Sachen Außenwirtschaftskontrolle neue Wege. Da die USA, die EU und Deutschland ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen und legislative Maßnahmen der USA auch in der Vergangenheit bereits Vorbildfunktion hatten, darf mit Spannung erwartet werden, ob die deutsche Außenwirtschaftskontrolle künftig ebenfalls Outbound-Transaktionen erfassen wird.

Ob dies allerdings den in aktuellen Zeiten wünschenswerten Effekt haben wird, dass ins Ausland verlagerte Produktionsstandorte zurück-wandern, oder ob Unternehmen dadurch Finanzierungsmöglichkeiten entzogen werden, die dringend benötigt werden, um international konkurrenzfähig bleiben zu können, bleibt abzuwarten.

*) Dr. Tobias Grau ist Partner der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er ist auf nationale und internationale Transaktionen und Umstrukturierungen spezialisiert.

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