Eine neue Phase für Investitionen in Infrastruktur
Eine neue Phase für Investitionen in Infrastruktur
Eine neue Phase für Investitionen in Infrastruktur
Geplante Reformen des Fondsrisikobegrenzungs- und des Standortförderungsgesetzes eröffnen neue Möglichkeiten
Von Marcus Helios und Andreas Walter*)
*) Dr. Marcus Helios ist Partner bei Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Andreas Walter ist Partner bei Yester & Morrow.
Die geplanten Reformen des Fondsrisikobegrenzungs- und des Standortförderungsgesetzes könnten die Grundlage für eine neue Phase der Investitionen in deutsche Infrastruktur schaffen. Der Abbau regulatorischer Hürden und steuerlicher Unsicherheiten eröffnet strukturell den Zugang zum institutionellen Vorsorgekapital und ermöglicht eine strategische Verzahnung von staatlicher Zieldefinition mit privatwirtschaftlicher Umsetzung.
Doppelte Herausforderung
Die deutsche Volkswirtschaft steht vor einer doppelten Herausforderung: dem strukturellen Anpassungsdruck einer alternden Industriegesellschaft und der Notwendigkeit, die Grundlagen künftigen Wachstums zu sichern. Zwei aktuelle Gesetzesinitiativen – das Fondsrisikobegrenzungs- und das Standortförderungsgesetz – könnten hierbei eine zentrale Rolle spielen. Beide Entwürfe zielen darauf ab, den Investitionsstau in der Infrastruktur zu lösen und privates Kapital stärker in Transformations- und Modernisierungsprozesse einzubinden. Der Investitionsbedarf ist erheblich. Nach Angaben des BAI beläuft sich der Nachholbedarf allein für Autobahn-, Bahn- und Energieinfrastruktur in den kommenden zehn Jahren auf rund 400 Mrd. Euro. Hinzu kommen laut HRI mindestens 1,1 Billionen Euro, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Trotz seit 2000 stark gestiegener Steuereinnahmen – von 467 auf rund 947 Mrd. Euro im Jahr 2024 (Statistisches Bundesamt) – liegt die Investitionsquote Deutschlands mit durchschnittlich 2,1 % des BIP deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 3,7 %.
Weder Steuereinnahmen noch Kreditspielräume reichen aus, um die Finanzierungslücke zu schließen. Der Staat steht daher vor zwei Grundoptionen: erstens die Erweiterung der eigenen Kapitalaufnahme über Anleihen, deren Mittel staatlich allokiert werden – begrenzt durch Schuldenbremse und Zinsumfeld; zweitens die Mobilisierung privaten Altersvorsorgekapitals, insbesondere aus Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungswerken, durch attraktivere und rechtssichere Investitionsbedingungen.
Steuerliche Hemmnisse
Die Bundesregierung verfolgt derzeit eine Kombination beider Ansätze. Mit dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ (SVIKG) wurde ein Finanzierungsrahmen von 500 Mrd. Euro geschaffen, um kreditfinanzierte Investitionen in zentrale Zukunftsbereiche zu ermöglichen. Parallel zielen das Fondsrisikobegrenzungs- und das Standortförderungsgesetz auf die Beseitigung regulatorischer und steuerlicher Hemmnisse, die institutionelle Investoren bislang von inländischen Infrastrukturinvestitionen abhielten, und erweitern die Strukturierungsmöglichkeiten insbesondere im Bereich der Darlehensfonds.
Das größte Hindernis lag bisher in der fehlenden Kompatibilität zwischen dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), dem Investmentsteuergesetz (InvStG) und der europäischen Anlegeraufsicht (Solvency II, AnlV, CRR). Nach Erhebungen des BAI strukturierten rund 81 % der deutschen institutionellen Investoren ihre Infrastrukturinvestitionen über Vehikel in Luxemburg, Frankreich oder Irland. Diese Verlagerung schwächte nicht nur den Finanzplatz Deutschland und reduzierte das Steueraufkommen, sondern entzog aufgrund des Home-Bias-Effekts der Asset Manager erhebliche Investitionsvolumina, die andernfalls in nationale Infrastrukturprojekte hätten fließen können.
Zudem erhöhte die Mehrstufigkeit grenzüberschreitender Fondsstrukturen die Komplexität und damit die Anfälligkeit der Investments gegenüber externen Schocks. Für nach Solvency II regulierte Versicherungen erschwerte dies zusätzlich den sogenannten Look-Through-Ansatz, der für eine geringere Eigenkapitalunterlegung notwendig ist. Die Folge: Viele Investitionen konnten nicht als „qualifizierte Infrastruktur“ eingestuft werden und unterlagen damit höheren Kapitalanforderungen.
Der Entwurf des Standortförderungsgesetzes soll diese aufsichtlichen und steuerrechtlichen Hürden beseitigen und so Rechtssicherheit für Investitionen in Deutschland schaffen. Er ermöglicht eine stärkere Annäherung an den tatsächlichen Vermögensgegenstand und die daraus erzielbaren Erträge.
Regulatorische Öffnung
Aufsichtsrechtlich wird unter anderem die bislang kontrovers diskutierte Frage des Erwerbs und Betriebs von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (EEG-Anlagen) und Ladeinfrastruktur als Annex zu klassischen Immobilieninvestitionen eindeutig geklärt. Zudem wird die bisher riskante Abgrenzung zwischen passiven Investitionen und aktiven operativen Tätigkeiten entschärft; künftig dient sie lediglich als Negativabgrenzung zur Realwirtschaft. Ein zentraler Bestandteil der Reform ist die Anpassung des Investmentsteuergesetzes (InvStG). Bislang führte der Betrieb von EEG-Anlagen oder Ladeinfrastruktur durch sogenannte Spezial-Investmentfonds – ein von institutionellen Anlegern bevorzugtes Vehikel – beim Überschreiten bestimmter Ertragsgrenzen zum Risiko des steuerlichen Statusverlusts. Dies konnte zur vollständigen Besteuerung stiller Reserven ohne entsprechenden Ertragszufluss („Dry Income“) führen. Die geplante Neuregelung beseitigt dieses Risiko und schafft damit die notwendige steuerliche Rechtssicherheit.
Im Gegenzug für die neu gewonnene Rechtssicherheit soll künftig die Möglichkeit der unbelasteten Durchleitung dieser Einnahmen auf die Ebene des Anlegers entfallen. Gleichzeitig werden die steuerlichen Anlagegrenzen für Spezial-Investmentfonds bei Beteiligungen an Infrastruktur-Kapitalgesellschaften aufgehoben. Bisher waren – mit Ausnahme von EEG-Gesellschaften – nur Minderheitsbeteiligungen von weniger als 10 % zulässig. Flankierend erweitert das Fondsrisikobegrenzungsgesetz die Investitionsmöglichkeiten von Fonds in Fremdkapitalinstrumente, insbesondere durch die bisher stark eingeschränkte Vergabe von Darlehen an Dritte. Damit entsteht im Zusammenspiel beider Gesetzesinitiativen eine breitere Grundlage für Eigen- und Fremdkapitalinvestitionen aus deutschen Investmentvermögen.
Partnerschaften
Im Ergebnis schafft das Gesetzespaket über Investitionen in Infrastrukturprojektgesellschaften die Basis für eine neue Generation öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP), in denen Finanz- und Energiewirtschaft gemeinsam Projekte finanzieren und betreiben können. Im Zusammenspiel der Reformen entsteht erstmals ein kohärenter Regulierungsrahmen, der privates Langfristkapital systematisch in nationale Transformationsprojekte lenkt. Mit dem SVIKG wird die staatliche Kreditaufnahme flankiert, sodass öffentliche Mittel gezielter eingesetzt und durch private Investitionen ergänzt werden. Diese Kombination aus staatlicher Anschubfinanzierung und privater Kapitalbeteiligung könnte – vergleichbar mit den Impulsen des Marshallplans in den 1950er-Jahren – den Grundstein für einen neuen Wachstumszyklus legen.
Effiziente Mittelverwendung
Damit ein solcher Ansatz sein Potenzial entfalten kann, bedarf es einer neu austarierten Interaktion zwischen Staat und Privatwirtschaft. Entscheidend ist ein System, in dem der Staat funktionale Vorgaben für Infrastrukturprojekte definiert und deren Umsetzung durch gezielte Zuschussmechanismen incentiviert. Die Einhaltung dieser Vorgaben kann dinglich abgesichert werden: Der mögliche Verlust des Zuschusses während der Bindungsdauer schafft einen klaren ökonomischen Anreiz, die definierten Standards dauerhaft einzuhalten.
Ein Beispiel ist die Integration von Zivil- und Katastrophenschutzanforderungen in die Planung und den Bau von Tiefgaragen nach internationalem Vorbild der Doppelnutzung, um eine flächendeckende, bedrohungsgerechte Umsetzung der strategischen Ziele des Zivilschutzes zu gewährleisten. Wird die Gewährung öffentlicher Zuschüsse zugleich an die europäische Herkunft des verwendeten Baustahls gekoppelt, ließe sich durch die Erfüllung mehrerer politischer Zielvorgaben – etwa Sicherheitsvorsorge, Standortförderung und Industriepolitik – eine besonders effiziente und verantwortungsvolle Verwendung öffentlicher Mittel erreichen.
Die Verbindung staatlicher Zieldefinition mit privatwirtschaftlicher Umsetzung nutzt die Skalierbarkeit marktwirtschaftlichen Handelns und kann die Umsetzungsgeschwindigkeit strategischer Infrastrukturmaßnahmen erheblich erhöhen. Damit entstünde aus den Gesetzesinitiativen nicht nur ein regulatorischer Impuls, sondern ein strukturpolitischer Rahmen, der langfristig tragfähiges Wachstum fördert.
