Gaskrise

Energie­versorger im Restrukturierungs­modus

In den Chefetagen hiesiger Energieversorger werden Krisenszenarien bis zur Insolvenz durchgespielt. Das deutsche Restrukturierungsrecht bietet eine Reihe von Alternativen.

Energie­versorger im Restrukturierungs­modus

Von Christian Heintze und Heiko Schaefer *)

Nach der Reparatur an der wichtigsten Gasleitung aus Russland fließt wieder etwas Gas nach Deutschland, aber eine echte Entspannung auf dem Energiemarkt ist nicht zu erwarten. Das bereitet insbesondere Stadtwerken und lokalen Energieversorgern erhebliche Schwierigkeiten. Zwar verspricht die von der Bundesregierung angekündigte Gas-Umlage ab 1. Oktober eine deutliche Entlastung, aber der Weg bis dahin ist steinig. Denn bis Oktober können insbesondere Grundversorger ihre Tarife für Privathaushalte nicht an die steigenden Energiebezugs- bzw. Herstellungskosten anpassen.

Zudem müssen sie die Nachzahlungen der Privathaushalte erst einmal vorfinanzieren, und die zu erwartenden Mehrkosten bei privaten und gewerblichen Endkunden lassen die Ausfallrisiken rasant steigen. Der Anteil der unbezahlten Rechnungen schwankt ersten Schätzungen zufolge zwischen 10 bis 30 %.

„Cash is king!“ gilt daher insbesondere in dieser Branche. Und je kleiner das Versorgungsunternehmen und je größer die Nähe zur lokalen Politik, umso vielschichtiger ist die Lage, die Geschäftsführer und Aufsichtsgremien zu meistern haben.

Entsprechend laut ist der Ruf nach staatlichen Eingriffen: Da werden branchenweite Unterstützungsprogramme zur Sicherung der Liquidität ebenso gefordert wie Schutzschirme zur Abfederung von Forderungsausfällen bei den Endkunden – bis hin zur Aussetzung der Insolvenzantragspflichten für die Unternehmen der Energiewirtschaft.

Auch wenn staatliche Hilfeleistungen in Teilen absehbar sind: Sie sind sowohl im Hinblick auf die Dimension des Problems als auch angesichts zu befürchtender Marktverzerrungen mit vielen Hürden versehen. Wie bereits der Fall des Gashandelsriesen Uniper zeigt, werden dabei auch die Eigentümer und ihre bisherigen und zukünftigen Beiträge zur Sicherung des Unternehmens in den Fokus rücken. Vor diesem Hintergrund werden dem Vernehmen nach in den Vorstands- und Geschäftsführungsetagen deutscher Energieversorger bereits verschiedene Krisenszenarien bis zur Insolvenz durchgespielt. Immerhin bietet das deutsche Restrukturierungsrecht eine Reihe von Alternativen.

Ein diskretes Restrukturierungsverfahren unter dem StaRUG, das mit Hilfe finanzwirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen wie Forderungsverzicht gegen Gewährung von Kapitalanteilen schnell die Finanzierungsbasis eines Unternehmens stärken kann, muss eingeleitet werden, bevor Insolvenzantragsgründe vorliegen. Die Vorteile liegen auf der Hand: keine breite Öffentlichkeit, nur minimale Einbindung eines Gerichtes und die Möglichkeit, Liquidität und Kreditwürdigkeit schnell zu stärken. Allerdings verfügen nur wenige spezialisierte Berater und auch noch nicht alle Gerichte über Erfahrungen mit diesem seit gut 18 Monaten nutzbaren Verfahren. Aber die Erfahrungswerte sind nahezu durchgehend positiv.

Optionen evaluieren

Immer im Blick haben müssen die Verantwortlichen in den Energieversorgungsunternehmen die zwingenden Insolvenzantragsgründe, die eine strafbewehrte Antragspflicht auslösen. Einfach darauf zu hoffen, dass das eigene Unternehmen unter Ausnahmeregelungen fallen würde, die der Gesetzgeber noch beschließen könnte, wäre mehr als fahrlässig.

Die Erfahrungen mit den Ausnahmeregelungen in der Corona-Pandemie haben hier einige haftungsträchtige Stolperfallen aufgezeigt. Und immerhin bietet auch ein Schutzschirm- oder Eigenverwaltungsverfahren bei rechtzeitiger Einleitung noch Gestaltungsmöglichkeiten – und damit weitere Optionen, wie Geschäftsführer und Gesellschafter den potenziellen Totalverlust ab­wenden können. Gerade kleineren Versorgungsunternehmen, die eng an die lokalen Gegebenheiten gebunden sind, bietet jedes dieser Sanierungsverfahren zudem die Chance, langjährigen Fehlallokationen ein Ende zu bereiten. Denn die kommunalen und teilkommunalen Versorger waren bis vor kurzem zuverlässige Finanzierungsquellen für strategische Zukunftsprojekte ebenso wie für kommunale Schattenhaushalte. De­fizitäre Bäder und anderes ließen sich hier durch Angliederung entsprechender Gesellschaften in einer Holdingstruktur querfinanzieren.

Andernorts, insbesondere wenn die Versorgungsunternehmen bereits teilprivatisiert waren, wurden die Gewinne konsequent und zeitnah an die Anteilseigner ausgeschüttet. Diese Extras aus den kommunalen Wunschlisten schwächen heute die Krisenresilienz der Unternehmen nachhaltig.

Selbstverständlich ist auch das deutsche Restrukturierungsrecht nicht das alleinige Heilmittel in einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit. Es wird einen guten Mix von staatlicher Hilfe und Unterstützungsleistungen, gesetzlichen Ausnahmeregelungen und der Nutzung der vorhandenen Restrukturierungsmöglichkeiten brauchen.

Allein auf Rettung von außen sollte aber besser kein Energieversorger bauen. In jedem Fall sind eine frühzeitige Evaluation aller vorhandenen Handlungsoptionen und eine entsprechend klare Kommunikation in den Gremien unablässig. Die Diskussion darüber sollte besser heute als morgen beginnen.

*) Dr. Christian Heintze ist Partner und Heiko Schaefer Anwalt der BBL Brockdorff Rechtsanwalts GmbH.